Handwerk ohne Hände

Niedergang des Handwerks

Sind Metzger und Bäcker Ferkel? Sind sie gefährlich?

Handwerk Backen ohne Hände

Unsere Leser, die vielleicht mit einem handwerklichen Beruf liebäugeln, lesen aufmerksam - alle anderen aber auch, denn hier gibt es wieder etwas Zeit- und Kulturgeschichte, diesmal aus dem Handwerk.
Unsere Hände sind ein Wesensmerkmal unserer Gattung, der Primaten, Universalwerkzeuge, die kein anderes Wesen auf dieser Welt besitzt. Forscht man nach negativen Begriffen, die mit der Hand zu tun haben, so kann man lange suchen.

Die wenigen, die einem einfallen, sind "handgreiflich werden", "die Hand gegen jemanden erheben" und "Handlanger".
Dann gibt´s noch "Hände weg" und "Hände hoch", was bedeutet, dass der andere entmachtet wird; er kann etwas nicht ausführen oder gar überhaupt nichts mehr mit den Händen anstellen. Er ist wehrlos; das wichtigste Werkzeug im alltäglichen Leben, die Waffe zur Verteidigung aber auch zum Angriff wurde beseitigt. Dazu gehört auch das englische "Handicap". Mit gekappten Händen ist man verkrüppelt, kastriert, nutzlos. Siehe auch ganz unten.

Unserer Hände Arbeit

Ansonsten scheinen die Hand und alle damit erstellten Werke, das Handwerk eben, positiv besetzt zu sein. Der Handgriff, der Stil, der Henkel, das Heft, der Hebel, alles von Hand betätigt, waren wahrscheinlich wichtiger in unserer Entwicklungsgeschichte als das Rad, denn sie verstärkten unmittelbar die Kraft der Hand. Erstere tauchten vor 2,6 Jahren auf, das Rad erst vor 6000 Jahren. 
Wir geben uns die Hand, ja, reichen uns die Hand, selbst über alle Gräber, allen Hasses, alle Irrungen hinweg, tauschen einen Händedruck zum Zeichen der Sympathie oder des Vertrauens aus, manchmal drücken wir einer Frau sogar einen Handkuss auf, worin auch immer ein Schuss Intimität liegt. Wir leisten anderen Handreichungen, legen mit Hand an, helfen ihnen also, damit ihnen die Arbeit flott von der Hand gehe, im Handumdrehen sogar. Etwas ist handlich, praktisch, angenehm anzufassen, im Englischen "handy". Informationen oder auch Dinge aus erster Hand sind wertvoll, dito solche, die alle aus einer Hand stammen. Da gibt´s kein Wirrwarr, nichs Zusammengeschustertes, alles passt. Bei Handlungen, wo es um Kontrolle und Sorgfalt geht, arbeiten wir lieber mal händisch, als sie der Maschine zu überlassen. Bei Geschäften beweisen wir eine glückliche Hand. Und ein Pferd gefällt uns, weil es gut handhabbar ist.
Unser Schicksal liegt in jemandes Händen, manche wähnen sich in Gottes Hand, dessen Sohn zu seiner Rechten (Hand) hocken soll. Das gilt natürlich nur im Christentum, denn bei Juden hockt der in der Scheiße, und zwar freundlicherweise auch noch kochender (s. dctp.tv/filme/jesus-der-hoelle/). Briefe adressieren wir "zu (treuen) Händen von ..." und übergeben Vermögenswerte einem Treuhänder. Wir legen die Hand aufs Herz, um Treue, Wahrhaftigkeit und Zuverlässigkeit zu bekunden, falten die Hände zur Anrufung von Göttern, heben die Hand zum Schwur, und manche legen anderen die Hand auf, behandeln sie, um sie zu heilen oder um Schmerzen zu lindern. Wer einen Meineid leistet, dem verdorrt die Hand, das Wichtigste, was er besitzt.
Nach dem Krieg wurde in die Hände gespuckt und mit Elan wiederaufgebaut. Geld geben wir gern mit vollen Händen aus, wenn wir glauben genug zu besitzen.
Und wieder ein Beispiel aus dem Englischen: "handsome" als "hübsch", eigentlich "leicht handhabbar", sofort verfügbar," also mit ersterer Bedeutung genau dem Deutschen "handlich" entsprechend. Als Nebenbedeutung wird "großzügig" genannt. Auch der Papagei ist "handsam", genauer gesagt handzahm. Er pickt uns nicht in die Hände. Bei Wanderungen formen wir die Hand oder gleich beide Hände zu einer "hohlen Hand" und schöpfen daraus Wasser an einem Brunnen. Unser "Becher" ist im Leben immer dabei.
Und - ganz wichtig - das allererste, was wir tun, sobald wir ein paar Schritte laufen können, ist an der Hand der Mutter zu gehen, was ein Urvertrauen erzeugt. Die Hand leitet, führt, bewacht und schützt. Kinder, die herumgeschubst werden, von Hand zu Hand gehen, bilden das nicht aus. 

Handwerk ohne Boden

Alle "Handwerker" werden heiß ersehnt, denn sie sind rar, aber man braucht sie, weil das Leben mehr als genormte Vorgäng, die maschinell beherrschbar wären, auf Lager hat, und so besitzt das ehrliche Handwerk einen goldenen Boden; es ist solide. Siehe die Bäcker oben. Manche erreichen sogar unglaubliche Höhen im Kunsthandwerk.
Ja, auch im übertragenen Sinne geht es weiter: Wir handeln, tun also etwas, sind aktiv, oder eben auch im wirtschaftlichen Sinne, wobei Waren eben von einem zum anderen, von einer Hand zur anderen, wandern, also gehandelt werden. Probleme müssen nur richtig gehandhabt werden, um sie im Handumdrehen lösen zu können.

Zig Eigenschaften lassen sich unter "handgemacht" einordnen: Handgewirkt, handgeformt, handgestrickt,  ... Grade handgefertigte Bastelarbeiten, Spielzeug usw. haben hohen Gefühlswert, denn sie sind mit Liebe und Geduld gemacht. Auch der Säugling wird liebevoll in handwarmes Wasser gesteckt. Etwas Handverlesenes ist etwas sorgfältig Ausgesuchtes.
Alles, wobei Handarbeit, Handwerk, bei der Herstellung im Spiel ist, verkündet Tradition, Ehrlichkeit, Vertrauen, Gediegenheit, hohe Güte, ja Exklusivität und Luxus. Handgefertigte Schuhe, ein handgeschneiderter Anzug, handgeschöpftes Büttenpapier usw. sind teuer.

Handgesalzener BlödsinnHandwerk - Schinken, handgesalzen

Die Werbung eines großen Herstellers von Schwarzwälder Schinken, Adler, vertrieben u.a. v. Aldi-Süd, ließ aufmerken: "Handgesalzen" prangte auf der Packung, zwar auf der Rückseite bei den vorgeschriebenen Inhaltsangaben, aber immerhin. Das ist komisch, denn was soll nun am Schinken besser oder anders sein, als wenn die Maschine es täte? Mehr als eine Schaufel Salz über das Fleisch zu streuen, kann der Arbeiter auch nicht. Der Leser mag ihn sich aber dabei vorstellen, als ob er den Schinken sorgfältig und liebevoll per Hand einreiben würde. Illusionen. Die Antwort liegt dürfte darin begründet sein, dass der Packung einfach noch etwas Positives angeheftet werden soll, hier Tradition und Bodenständigkeit, oder vielleicht auch einfach nur von den Chemikalien, die hier wie gesetzlich vorgeschrieben aufzuführen sind, abgelenkt werden soll. Ähnlich diverse Bäcker von Brezeln u.a. Backwaren. Sie können den größten Schiet verkaufen, denn oft wäre wegen des Chemikaliencocktails ein Beipackzettel angebracht, aber nein, der simplen Brezel wird noch etwas Positives herausgeleiert: Sie ist "handgemacht" und folglich "besser". Es lockt die Käuferin das solide Handwerk. Die Verkäuferin fragte bei Brötchen nach: "Die normale oder die Artisanbrötchen?" Was das bedeutete, wusste sie nicht, sondern zählte die ganze Körner auf, mit denen solche Brötchen besetzt seien. Nun, der "artisan" bezieht sich wieder aufs Handwerk. Im Französischen bezeichnet es den Handwerker, eher der Kunsthandwerker. Das simple Brötchen wird zum Kunstgegenstand aufgepeppt, womit es teurer verkauft werden kann.
Adler und Konsorten haben mittlerweile ihr Fett weggekriegt, denn "Schwarzwälder Schinken" ist keine geschützte Bezeichnung mehr. Schweine aus dänischen Fabriken aufzukaufen, zu zerschnibbeln, handzusalzen und als Schwarzwälder Delikatesse zu verkaufen, nein, das war den Richtern zu viel. 

Kulturgeschichtlicher Wandel

Nun haben aber grade Bäcker und Fleischer ein Problem. Seit einigen Jahren hat sich durchgesetzt (interne Vorschriften bislang, kein Gesetz und somit vorauseilender Gehorsam sozusagen), dass die Bedienungen Plastikhandschuhe überstreifen. Das entwertet nicht nur die Hand enorm, sondern bringt sie sogar in Verruf, denn sie wird als Bakterienschleuder und Gesundheitsgefahr wahrgenommen. Tatsächlich ist das Unsinn, denn irgendwelche Seuchen oder Todesfälle aufgrund dessen, dass ohne Handschuhe gearbeitet wurde, wir andere mit Handschlag begrüßen, mit Geld hantieren, Türklinken anfassen u.ä., sind unbekannt. Geld haften entgegen populärer Meinung keine nennenswerten Bakterien an, denn die brauchen ein feuchtes Milieu. Ohne Feuchtigkeit keine Bakterien. Die größten Bakterienfabriken im Haushalt sind der - feuchte - Schwamm oder Lappen an der Spüle sowie der Kühlschrank. Trocknet der Lappen, so sind auch die Bakterien mausetot. Die Toilette übrigens ist weitgehend keimfrei, denn frau putzt. Und sie tut noch mehr: Sie wendet sich quasi gegen die Hand und terrorisiert die Kinder immer wieder mit Händewaschen: "Sarah, geh Händewaschen!" ertönte es beharrlich. Dass dieser Mist nicht nur im unmittelbaren Verhalten sondern auch im Kopf, im Charakter, Spuren hinterlassen wird, ist einleuchtend. Dabei hat sie in den ersten Lebenjahren wunderbar in aller Harmonie mit grausligen  Bakterien gelebt und sie problemlos überlebt, denn ihr erstes Terrain war der Fußboden. Alles wurde angefaßt, alles wurde in den Mund gesteckt. Die ersten Bazillen waren Kolibakterien, die sie - wie alle, immer - von ihrer Mutter bei der Geburt mitbekam und ohne die keine Verdauunng hätte funktionieren können. 
In Europa sterben wir seit langem nicht mehr an Bazillen oder Viren sondern an Chemie, an dem, was z.B. im Brot steckt, aber nicht ausgewiesen wird, sondern unsichtbar bleibt, beispielsweise am Natriumnitrit, dem Pökelsalz, s. Abbildung, zu dem Wiki weiß: "Natriumnitrit ist giftig (tödliche Dosis etwa 4 g); im Allgemeinen können Nitrite mit bestimmten Aminen bei geeigneten Bedingungen zu krebserregenden Nitrosaminen reagieren." Welches Salz verteilt der handsalzende Arbeiter denn da? Wer wissen will, warum er z.B. so versessen auf Salami ist, der lese hier nach, die anderen lassen´s besser. Die vorstehende Aussage bleibt selbst dann richtig, wenn mal Corona o.ä. unterwegs ist. Aber natürlich werden solche Ereignisse, die sich nur wegen unserer völlig verrückten Anzahl und unserer unnatürlichen Lebensweise verbreiten können, die Ekel- bzw. Hygieneschranken entsprechend verschieben.

Unlängst noch sah man in einer italienischen Eisdiele am Münsterplatz - der Adresse in Freiburg in punkto Eis - die Bedienungen mit schwarzen Handschuhen (!!) agieren. Das wirkte nicht nur abenteuerlich, sondern gruslig, war es doch so ungewöhnlich, da es nahelegte, dem Eis könne irgendetwas anhaften oder die Bedienung sei von Pest oder Cholera befallen. Auf die Frage nach dem Warum kam: Das sei hygienischer und schick.
Wir können kein Foto liefern, denn der Ausflug in die Psychohygienehölle wurde eingestellt. Es werden noch weitere Kunden Anstoß genommen haben. Einen ähnlichen Firlefanz kennen wir aus einer Metzgerei, wo wir uns eines Fotos enthalten, denn der Metzger hat ein Hackebeil. Aber schon ist zu hören, dass es in einem Edeka-Markt ebenso zugeht.
A propos Geld: Mittlerweile übernehmen Automaten oft das Zahlen und die Ausgabe des Wechselgeldes, z.B. einer Bäckerei. Erst wird berappt, dann wird die Verkäuferin tätig. Wer nun glaubt, die Handschuhe würden entfallen, der irrt. Seltsam, die Redensart "Geld stinkt nicht". Vielleicht doch. Freud hat beschrieben, warum. Man denke z.B. an den dukatenscheißenden Esel im Märchen. 

Hier im Büro wurde weiblicherseits mal der Wunsch geäußert, von schlichter Seife auf Flüssigseife zu wechseln. Begründung: Sie sei hygienischer.
Die Frage, wo denn die ganzen Leichen steckten, die durch die bis dato verwendete dreckige Seife ums Büro herum verstreut sein müssten, wurde nicht gut aufgenommen. "Dreckig" natürlich deshalb, da von anderen benutzt.

Kastriertes Gewurschtel - Senkung der Ekelgrenze

Aufmerksamen Betrachtern der Rewe-Werbung oben vom Oktober 2014 fällt gleich auf, dass der Kern der Geschichte fehlt - die Hände. Sie sind "abgeschnitten", abgedeckt. Eingedenk dessen, dass solche Anzeigen von Agenturen, Psychologen, Soziologen, kundigen Werbefritzen u.ä. erstellt, in diversen Meetings begutachtet und schließlich abgesegnet werden, ist klar, dass es sich um keinen Zufall handeln kann. Schließlich gehen hunderttausende von Euro in solche Anzeigen. Da darf kein Schuss in den Ofen durch falsche Gedankenverbindungen erzeugt werden.
Es handelt sich um eine völlig zwiespältige Anzeige, denn einerseits soll die Tradition betont werden, das Handwerk, also etwas, was den Anbieter von anderen unterscheidet, aber andererseits darf der Metzger das Fleisch, die Wurst, nicht mehr von Hand bearbeiten oder berühren, weil der moderne Neanderthaler, insbesondere die NeanderthalerIn, die ja auf den Kindern hockt und somit auch für den männlichen Teil der Menschheit verantwortlich ist, diesen Kontakt nicht mehr aushielte.
Genauer gesagt: Sie treibt die Geschichte im Auftrag der Gesellschaft, der Männer (??), voran und bestimmt somit die Empfindungslage der ganzen nachfolgenden Generation. Wundern sich Eltern, dass die Kinder nichts Gescheites mehr essen, nur noch unverdächtige Spaghetti Bolognese, Wiener Würstchen und warme Brote, auch Pizza geheißen, dann mögen sie sich doch mal fragen, warum die Zunge (reines Muskelfleisch) in Burgundersoße - ein Renner seit vielen, vielen Jahrzehnten - unlängst aus Dr.-Oetkers-Schulkochbuch geflogen ist. Aber bei dem Gedanken kriegen die Mütter - traumatisiert durch ihre eigenen - bereits das Würgen. Nichts darf "komisch" oder undefinierbar" aussehen wie der Labskaus, den der Schiffskoch aus den Resten zusammenschmeißt, nichts stark riechen, nichts unliebsame Gedankenverbindungen hervorrufen. "Steak & Kidney Pie" (Kidney = Niere) ginge bei uns garnicht.
Wie das funktioniert, lässt sich im Der Prozeß der Zivilisation von Norbert Elias nachlesen, ein ausgezeichnetes Buch und nicht auf Soziologenchinesisch verfasst, sondern in wundervollem Deutsch.
Zurück zu unserem heiligen Brot: Es darf also nicht mehr berührt werden. Es gibt ein weiteres "heiliges" Brot, das anders als hier aber nicht vom Verbraucher berührt werden darf: Die Hostie. Auch das hat seine Gründe. Wie ließe sich unser Brot noch aufwerten? Nun, z.B. durch Anhängen einer moralischen Kategorie. In der "Zeit" fand sich ein herrlicher Artikel zum "ehrlichen" Brot: Belügt mich mein Brot? 

Ekelfleisch

Die Geschichte geht heute bereits soweit, dass es armen psycho- und muttergeschädigten "Millennials" (ab Jahrgang 1985 etwa) ermöglicht wird, ein Anfassen von Fleisch in der Küche zu vermeiden. Junge Leute würden sich nämlich vor der Berührung von rohem Fleisch ekeln. Verkauft werden daher bei der engl. Supermarktkette Sainsbury's sogenannte "doypacks". Durch diese Wunderwerke, sogenannte "touch-free packs", könnten innovative Menschen schlechten Charakters auf den Gedanken verfallen, auch andernorts den Kontakt mit "Rohfleisch" zu unterbinden und z.B. eine "Doypack-Sexpuppenvermietung" ins Leben zu rufen. Handwerk Teigkneten

Zurück zur Anzeige (1): Die bösen Gefühle, die aufsteigen mögen, der Ekel, der sich breitmachen könnte, werden durch Verdeckung der Hände niedergehalten. Das heißt: Zum ersten Mal in unserer Geschichte, seit vielen hundertausend Jahren, erfolgt eine massive Abwertung unseres wichtigsten Werkzeugs, der Hand, ohne die wir nie unsere Entwicklungsstufe hätten erreichen können. Sie ist ein universellen Werkzeug, vielfältig, präzise, einmalig in der Natur, selbst winzige Uhrenteile lassen sich damit zusammenfügen. Kein anderes Viech hat dieses wundersame Werkzeug.
Die Hand wird nun negativ besetzt, stellt eine Bedrohung dar, ist potentielle Pest. Letztlich auch das, was an der Hand hängt, der Andere, der Fremde, der "Nächste", um es biblisch auszudrücken. Die Ekelschwelle sinkt wieder mal ein Stückchen zugunsten der "Hygiene". Auch andere Völker kennen ähnliches, was aber, z.B. den muslimischen Raum betreffend, "handfestere" Gründe hat: Dort ist die Linke tabu, denn die ist "für den Po". Es gibt übrigens auch weitere religiöse Abwertungen der Hand in bestimmten Zusammenhängen.

Pfui Deibel aber auch!

Briten war traditionell - 19.-20. Jh. - nichts unangenehmer, als berührt zu werden, daher auch kein Handschlag. Dabei stammt auch die Küsschengeberei (la bise) auf die Wange - heute nach England zurückgekehrt - die wir originär den Franzosen zuschreiben, sage und schreibe aus England. Die Geschichte ist also ziemlich neu und gipfelte in der "viktorianischen Prüderie". Ernst Curtius berichtet, dass sich französische Schriftsteller des 17. und 18. Jhs über diese Sitte mokierten. Was war seither mit den Engländern passiert? Was steckt hinter dieser Prüderie?
Eine Verkäuferin eines Backshops in einem Rewe-Markt berichtete Folgendes: Sie habe mit ihrem Handschuh ein Brot ungeschickt erwischt, so dass es abkippte und auf den Boden zu fallen drohte, woraufhin sie es mit der unbehandschuhten Hand abstützte. Kommentar der Kundin: "Nein, wenn Sie das angefasst haben, will ich es nicht mehr."

Iigittigitt - Bücher!

Im Zuge der Pleite des Buchgroßhändlers KNV im Frühjahr 2019 sagte Jörg Sundermeier vom Verbrecher-Verlag, auch im Vorstand der Kurt-Wolff-Stiftung: "Wir haben auch ein System, in dem es auch gerade darum geht, beispielsweise den immensen Plastikmüll, der auch im Buchhandel besteht, abzuschaffen, indem man aufhört, die Bücher zu verschweißen, was sehr vielen Kundinnen und Kunden nicht gefällt, weil sie sagen, dann ist das Buch ja schon angefasst. Dafür ist ein Buch eigentlich da, aber Sie wissen, worum es da geht." 

Schambehaarte Ferkel

Wie auch immer: Sind die armen Kerle aus der Anzeige oben fertig, so gleich ab zur Handdesinfektion! Händewaschen vorher hat natürlich auch stattgefunden. Es lebe die Sterilität! Man fragt sich, wie manche Zeitgenossen und -genossinnen es überhaupt bis zur Fortpflanzung schaffen ... ! Da scheinen hormonelle Mechanismen die irrationalen Ängste zu übersteuern, wobei eine Rasur, die aus Amerika stammt - DAS Land der Pornoindustrie, des Drecks - und mittlerweile auch hier Pflicht zu sein scheint, für den nötigen Anschein von "Sauberkeit" und Keimfreiheit sorgt. Das führt sogar zu heftigen Konflikten in den Familien, weil die Tochter sich schämt, mit der - unrasierten Mutter - ins Schwimmbad zu gehen - es könnte ja ein Härle vom Bärle hervorlugen, wie man hier sagen würde. Fehlt nur noch, dass die Beschneidung, ebenfalls in den USA bei allen Jungen üblich, sich hier verbreitet. Nachgearbeitung dann mit Drahtbürste und Sagrotan. Oh Mann! 

Dass dort, wo man wirklich geschädigt wird, durch Chemikalien nämlich, kein Ekel auftritt, ist eine weitere, höchst bemerkenswerte Geschichte, die bislang gar nicht thematisiert wird ... Warum empfinden wir ihn nicht, wenn wir jemanden rauchen, dampfen oder Alkolhol trinken sehen, jemand sich einen der "farbenfrohen" Softdrinks einverleibt, "Salz" zu sich nimmt oder Kartoffeln. Jeder kann nachlesen, was zur Rieselfähigkeit im Salz steckt, jeder, womit Kartoffeln zwecks Unterbindung der Keimung behandelt werden. 
Rewe fiel übrigens in letzter Zeit noch mit einer anderen Werbung auf, einer, wo alter Wein in neuen Schläuchen verkauft wird, nur ein bissel teurer halt ... 

Ein Anruf bei Rewe zeigte keinerlei Ergebnis. Die einzig zugängliche und brauchbar erscheinende Nummer auf der Webseite war die des PR-Menschen. Der verstand gar nichts. Er hat den lieben langen Tag mit der Presse oder mit VerrücktInnen zu tun, die wissen wollen, wann es bestimmte Artikel wieder gebe, was sie kosten, ob Schnäppchen geplant und das Fleisch laktosefrei (2) seien usw.: "Ja, was wollen Sie denn; wollen Sie sich beschweren?", fragte der Fuzzy. 

Mit Schutzklamotten in die Natur Sauberes Handwerk, sterile Gärtner

Den Vogel schoss ein Artikel in der BZ über einen Schulgarten neulich ab. Dort sieht man alle Schüler mit Handschuhen agieren, vermutlich damit sie sich nicht "schmutzig" oder "dreckig" machen, wegen der "Fingernägel", ekelhaften "Mikroben", Regenwürmer u.a. Viecher in der Erde, "man weiß ja nie", wegen des lauernden, lebensgefährlichen Wundstarrkrampfes, wegen "Verletzungsgefahr", usw. - und bald auch schlicht: "Wegen der Versicherung".
Wenn das in eine Verordnung, ein Gesetz, einflösse, genau wie bei Metzger oder Bäcker absehbar, so wäre der Kern der Geschichte dem Bewußtsein völlig entzogen. Es ist ja "vorgeschrieben", das "Gesetz" hat´s gewollt, es ist vom Himmel gefallen, war immer da.
Es sind alles Jugendliche, die ansonsten nicht müde werden, etwas über Natur, Insekten, "Friday for Future" u.a. Umweltthemen zu predigen. Nur: Wo in der "Natur" fänden sich denn Handschuhe? 
Aber eins ist klar: Die werden gesetzlich kommen. Es sind die Frauen, die diesen Mist in jeder Generation ein Stückchen vorantreiben.
Geschlechtsgenossinnen aus anderen Ecken der Welt können dagegen ganz anders draufsein, verleiben sie sich doch sogar Erde (Muttererde, Mutter Erde, Heilerde ??) ein.

Hier ein weiterer Titel zum Thema: Keimfreiheit
sowie zwei weitere Stimmen:
Kölner Stadtanzeiger, Die Handschuh-Lüge
Deutschlandfunk, Handschuhe nicht besser als Händewaschen

Wer nun noch wissen will, warum Verfasser dieses an kalten Winterabenden mit Pudelmütze, einem Grog und den Füßen in einem Eimer voller Erde vor der Glotze hocken könnte und glücklich wäre, der fände hier Erleuchtung. Eine serotoninsche Freude und Erfahrung, welche die handschuhbewehrte, sterile Biogärtnerjugend sich verwehrt.

Die FAZ machte verkappte Werbung für ein Gärtnern in der Wohnung - Es grünt so grün – ganz ohne Erde!. Das funktioniert mit zeitgeistigem LED und Nährlösung. Nix Dreck, Sonne unnötig, stört nur, da unzuverlässig. Klasse, die Lösung für den modernen "urban gardener". Geräte für zu Hause gebe es schon, jubelt die FAZ. Kauft, Leute, kauft! Auch gut zum Üben für ein neues Leben auf dem Mond oder einem sonstigen Gestirn, denn sicherlich wird irgendwann Wasser entdeckt werden oder gar irdische Verwandte. Je größer der Irrsinn, je schärfer die Widersprüche und je näher der Abgrund, desto mehr Meldungen in den Medien über ein mögliches außerirdisches Fortleben uns Rettung im All.

Rechenmaschine - Zwölf Apostel, zwölf Kinder ... und ein Sixpack

Nicht zu vergessen: Die Hand ist unsere erste Rechenmaschine. Legt man die vier Finger der Hand auf den Tisch, so zählt man je drei Glieder an jedem Finger, mal vier also zwölf. Letzte Reste des Zwölfersystems bei uns - ursprünglich ausgeheckt von den Sumerern  - ist das "Dutzend". Eier wurden bis vor kurzem noch in Zwölfer-, heute eher Zehnerpackungen verkauft, aber die Hälfte, die Sechserpackung blieb natürlich aus praktischen Gründen erhalten. Größenangaben beim Fahrrad werden immer noch in Zoll angegeben, ein 28er Rad, und das Metermaß heißt gemeinhin immer noch Zollstock. Zwölf Apostel, zwölf Kinder im Leben, das reichte ... Die Engländer schafften 1985 das Zwölfersystem ab, wiegen sich aber bis heute in komischen, außerirdischen Steinen. Wie man überhaupt im Duodezimalsystem multiplizieren, Brücken bauen, ein Weltreich regieren, ja bis Drei zählen kann, bleibt uns verschleiert. Aufklärung hier. Auf jeden Fall führte die Umstellung in England zum Entfall eines ganzen, bis dato auf der Welt einzigartigen Schulfachs, money sums, was eine gewaltige Entlastung der Hirne zeitigte. Ufff.

Chistliches Handwerk - Verstümmelung, Amputation, Kastration

Zuletzt noch etwas aus der Kolonialgeschichte, hier der belgischen im Kongo, aber andere Völker hausten nicht weniger schlimm in "ihren" Gebieten. Das Foto vom 14. Mai 1904 von Alice Seeley Harris zeigt Fuß und Hand der Tochter eines Arbeiters auf einer Kautschuk-Plantage (3). Ihr Vater brachte die Gliedmaßen zu Alice Harris, einer englischen, evangelischen Missionarin, welche die Misshandlungen und Morde unter dem belgischen König Leopold II. zu dokumentieren begonnen hatte. Die Amputation oder Verstümmelung war nicht nur eine beliebte direkte Strafe, um Angst und Schrecken zu verbreiten, sondern auch eine perfide Strategie, um bei den Aufständischen viele Kräfte zu binden, mussten die Verstümmelten doch versorgt werden. Jemand ohne Hand oder Hände war nutzlos, fiel anderen zur Last.

Koloniales Handwerk

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1. Dieses Foto stammt von Kaisers Guter Backstube, Freiburg. So hätte die Rewe-Werbung aussehen können ...
2. Fleisch hatte noch nie Laktose gehabt, aber es ist wahr: Wegen diverser Schwachgeister wird es tatsächlich gelegentlich so beworben: "Laktosefrei" prangt auf manchen Verpackungen. Wir warten auf ein glutenfreies Mineralwasser ...
3. Aus der OpenLibrary. Christliches Handwerk aus der belgischen Kolonie Kongo. Abgehackte Kinderhände als Strafe v. ca. 1904, weil der Vater nicht die zugedachte Leistung erbracht hatte. Fotografiert von Alice Seeley Harris. Zu sehen war das Foto z.B. auch in dem Dreiteiler Entkolonialisierung bei Arte. Auf YouTube wird man den Film finden.

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