Holpriger Ausflug in die Landwirtschaft
Alles war geheim
Erd- und bluthafte Kräfte des Heildeggertums
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Starke, intelligente und klare Worte fand der Meister bei seiner ersten öffentlichen Äußerung nach der Ausnichtung, 1949, anlässlich eines Vortrags in Bremen. Dort schwadronierte er über den Ackerbau, der jetzt als motorisierte Ernährungsindustrie, „im Wesen dasselbe“ sei wie die Fabrikation von Leichen in Gaskammern und Vernichtungslagern, dasselbe wie die Blockade und Aushungerung von Ländern, dasselbe wie die Fabrikation von Wasserstoffbomben.
Das war des Philosophen einziger Satz zum Holocaust, wo ein Wort durch entsetzliche Abwesenheit glänzt: "Jude".
An Herbert Marcuse schrieb er: „Zu den schweren berechtigten Vorwürfen, die Sie aussprechen 'über ein Regime, das Millionen von Juden umgebracht hat, das den Terror zum Normalzustand gemacht hat und alles, was ja wirklich mit dem Begriff Geist und Freiheit und Wahrheit verbunden war, in sein Gegenteil verkehrt hat', kann ich nur hinzufügen, daß statt 'Juden' 'Ostdeutsche' zu stehen hat und dann genauso gilt für einen der Alliierten, mit dem Unterschied, daß alles, was seit 1945 geschieht, der Weltöffentlichkeit bekannt ist, während der blutige Terror der Nazis vor dem deutschen Volk tatsächlich geheimgehalten worden ist.“
Ein bisschen Schwindel
Ferner: "1934 erkannte ich meinen politischen Irrtum, legte unter Protest gegenüber Staat u. Partei mein Rektorat nieder".
Mitnichten, glatt gelogen, s. oben! Das hätte er gern. Geschmollt hat er, denn in Wahrheit dräute es ihn wohl näher zum Führer nach Berlin. Der Rücktritt vom Amt des Rektors erfolgte, weil er seine Hochschulpolitik weder an der Uni noch bei der Partei durchsetzen konnte. Der Grund war, nicht wie von ihm später dargestellt, dass er die Hochschulpolitik der Nazis nicht hätte mittragen wollen, sondern umgekehrt, dass sie ihm nicht weit genug ging, denn er strebte eine Dozentenakademie in Berlin an, die als zentrale Einrichtung für die philosophische Schulung aller künftigen deutschen Hochschullehrer hätte zuständig sein sollen.
So hörte man folglich Mitte August 1934, Monate nach dem Rücktriff von ihm: „Das Wesen der nationalsozialistischen Revolution besteht darin, daß Adolf Hitler jenen neuen Geist der Gemeinschaft zur gestaltenden Macht einer neuen Ordnung des Volkes erhöht und durchgesetzt hat.“ Im Oktober 1933 hatte er noch getönt: „Der Führer selbst und allein ist die heutige und künftige deutsche Wirklichkeit und ihr Gesetz.“
Während er bei seiner Rektoratsrede 1933 noch wusste "...die geistige Welt eines Volkes ... ist die Macht der tiefsten Bewahrung seiner erd- und bluthaften Kräfte als Macht der innersten Erregung und weitesten Erschütterung seines Daseins", fehlte "erd- und bluthaften" in einer späteren Rechtfertigung zu seiner Rede.
Der Marburger Psychologe Erich Jaensch bezeichnete Heidegger als „einen der größten Wirrköpfe und ausgefallensten Eigenbrötler, die wir im Hochschulleben haben“. Und das ist er vielleicht: Ein Fall für die Psychologie.
Als Peter Trawny vor kurzem Heideggers Schwarze Hefte herausgab, erntete er wütende Kritiken, vor allem aus Frankreich, wo der Meister hoch im Kurs stand. Er beschreibt des Philosophen Idee der weltweiten jüdischen Verschwörung, wo das "Weltjudentum" als Feind des "Seins" und der "Wahrheit" das "Rechnen" und die "Machenschaft" verkörpere usw. usw. Günter Figal, Präsident der Martin-Heidegger-Gesellschaft, beeindete sein Heideggerianertum und trat schließlich wegen solcher Erkenntnisse des Meisters zurück.
Schwarzwälder Bauernbub und hohler Zahn
Zurück zur Freiburger Universität:
Heideggers geliebtes Freiburg wurde völlig genichtet, nicht durch das Nichts, sondern durch ganz konkrete Bomben beim Luftangriff der Engländer im November 1944. Die Stadt lag in Trümmern, so gründlich, dass die Verantwortlichen nach dem Krieg sogar den Wiederaufbau an anderer Stelle erwogen. Touristen, die heute durch die Gassen der Altstadt pilgern, wähnen sich oft in einer "mittelalterlichen" Stadt. Weit gefehlt. Freiburg ist ein hohler Zahn, was alt aussieht, eine perfekte Illusion. Mittelalterlich sind ein wenige Reste, paar Kellermauern und die Unterteile der Stadttore, ansonsten verhält es sich wie bei der Originalgoldgräberspitzhacke, die der Amerikaner seinen Besuchern aus Europa stolz als Erbstück seines ersten Urahnen der ersten Stunde vorführt: siebenmal wurde der Stil gewechselt, fünfmal das Haueisen ...
Als nun alles ausgenichtet hatte, wobei Heidegger sich der also Aussortierung anderer rassisch Minderwertiger aus dem Lehrkörper seiner Uni nicht entgegengestellt sondern bei der Gleichschaltung mitgemacht hatte, konnte man den Spruch an der Fassade auch nicht wegkriegen, denn wie immer man die Lettern hätte füllen wollten, stets wären sie durch andere Färbung aufgefallen und hätten den Schaden verschlimmert. Dabei hatte Heidegger Glück, dass die Köpfe so manch anderer nicht auch noch an seiner Uni sondern bei einem anderen Schädelsammler namens August Hirt gelandet waren.
Spurensuche: Wo stecken sie bloß, die heideggerschen Panzergräben?
Der Führer dankte Heidegger für sein Engagement übrigens dadurch, dass er den Opa mit 55 Jahren zum Volkssturm einziehen, ihm eine Schippe in die Hand drücken und ihn derart bei handfesten Schanzarbeiten "drüben am Rhein" philosophieren hieß. Höhepunkt der Schmach: Bei der Dreiteilung der Dozentenschaft in Ganz-, Halb- und Unentbehrliche fiel er nämlich in die Gruppe der Ganz-Entbehrlichen. Ein Nichts, wie der Führer meinte. Dies obwohl Heidegger sich doch anerboten hatte, den "Führer zu führen" und ihn als charismatischen Retter und Überwinder der "Seinsvergessenheit" lobte.
Heidegger und Staudinger
Hier noch eine interessante Nebengeschichte, die erst kürzlich bekannt wurde:
Wegen seiner Befürwortung eines frühzeitigen Friedensschlusses im Ersten Weltkrieg forderte Rektor Heidegger die Entlassung des Nobelpreisträgers Hermann Staudinger und ordnete eine Gestapo-Untersuchung an. Staudinger ergriff die Flucht nach vorn mit vielfältigen antisemitischen Äußerungen. Daraufhin wurde die Sache eingestellt und Staudinger war spätestens 1940 rehabilitiert.
Der Kommissionsvorsitzende Bernd Martin fällte das schärfste Urteil über den Nobelpreisträger. Demnach habe sich Staudinger schon 1936 darum gesorgt, dass zu viele „Nichtarier“ an seinem Institut studieren könnten und 1942 erneut schriftlich Bedenken über zu viele „Mischlinge“ geäußert.
Bekannt wurde ferner, dass Staudinger seit den zwanziger Jahren auf der Gehaltsliste der IG Farben stand, das bedeutsamste in NS-Verbrechen verwickelte Unternehmen. Martin dazu: „Staudingers Institut betrieb sogenannte wehrchemische Forschung, beispielsweise über Giftgas. 1943 galt es zusammen mit dem Institut für Physik als kriegswichtigstes Institut an der Universität.
Freiburg wird seine "Staudinger Gesamtschule" wohl umbenennen müssen.
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