Europas Raubbau im Mittelalter
Verwandte ökologische Probleme
Teil III - Ausflug zu einem Fastuntergang - Nochmal davongekommen
Hier geht es zu Teil I, Ägypten, und Teil II, Ankor.
Die Sendung "Das Erlöschen von Imperien", Das Ende des Pyramidenzeitalters, Das blühende Angkor geht unter, ein Zweiteiler von Fréderic Wilner bzw. Saléha Gherdane auf Arte kürzlich, hat einige Schwächen. Stellvertretend dargestellt werden der Untergang Ägyptens und der Angkors im heutigen Kambodscha.
Folgendes wird nicht in den Filmen behandelt.
In Europa setzten gleich nach der Entdeckung Amerikas Religionskriege ein, mit Gemetzeln, durch die Deutschland z.B. 1648, zu Ende des Dreißigjährigen Krieges, ein Drittel seiner Bevölkerung verloren hatte. Das Land ging zwar nicht unter, seine "Pyramiden", die Dome, waren auch vergleichsweise bescheiden, dennoch verzehrte ihr Bau Unmengen an Holz und Ressourcen, so dass die Bautätigkeit daran erstmal vielfach ausgesetzt wurde. Das Land war verwüstet und am Ende. Diese Kriege gab es auch in England und Frankreich.
Mit dem Wechsel vom Katholizismus zum Protestantismus wurde zwar nicht der ganze Gott gewechselt, aber seine Lehre abgewandelt, denn das erstarkte Bürgertum benötigte eine passende, auf Geld, wirtschaftlichen Erfolg, Fleiß und Arbeit beruhende Ideologie, die darauf abzielte, die Sonderrechte des "blauen" Blutes zu beschränken bzw. abzuschaffen. "Arbeit adelt", hieß es fortan, ein Angriff des Bürgertums in zwei Richtungen, gegen die Habenichtse, die Bauern, die rund 90 % der Bevölkerung ausmachen, und gegen den parasitären Adels, der längst jedwede "Schutzfunktion" seit der Etablierung der Landserheere verloren hatte.
Jede Gläubensänderung, jeder Religionswechsel, stellt immer eine soziale Kampfansage dar, einen Angriff einer Klasse gegen eine andere, denn alle Götter, alle Religionen, transportieren Interessen. Während der Katholizismus den Ständestaat, die mittelalterliche Pyramide von Adel, Klerus und Bauern als gottgegebene Ordnung verteidigte, mit dem König (Gottesgnadentum) an der Spitze, schützte der Protestantismus das Bürgertum: Geld, Reichtum, bewies, dass man Gottes Wohlgefallen durch Arbeit, frommen Lebenswandel und entsprechende Prinzipien erlangt hatte. Nachlesen kann man das z.B. in Max Webers Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus.
Der Gott, identisch mit dem im Judentum und im Islam, war immer noch dersselbe, aber irgendwie auch anders, denn im Christentum wurde ihm in der Figur des Jesu quasi ein zweiter Gott zur Seite gestellt. Nun können die beiden Vertreter der Hauptströmungen des Christentums sich noch nicht mal darüber einigen, wie ihr Nebengott bei ihrem "Abendmahl" korrekt aufzuessen sei, so dass sie es nicht zu einem gemeinsamen Leichenschmaus in der Ökumene schaffen. Bei den einen wird kraft Wandlung "tatsächlich" Fleisch verzehrt und Blut getrunken - man muss sich den grade gelinkten Wiki-Artikel wirklich mal in Ruhe zu Gemüte führen !! - bei den anderen, eher rational geprägten, nicht so richtig ... Nein, Menschen- oder Götterfleisch wollen die nicht wirklich verputzen.
Auch in Ägypten hatte es übrigens einmal einen Götterwechsel, von Aton zum Sonnengott Ré und wieder zurück, gegeben, ein Ideologiewechsel mit gravierenden Folgen und Unruhen, verewigt im Klassiker Sinuhe der Ägypter von Mika Waltari (Buch), und hier der Film, der im 14. Jh. v.Chr. spielt.
Holz verbindet und kippt Kulturen
Was hat Europa mit Ägyten, was mit Angkor zu tun?
In Europa, in Deutschland, spielte Holz im Mittelalter und danach eine wichtige Rolle. Das Mittelalter war das "hölzerne" Zeitalter. Holz war der wichtigste Bau-, Werk- und Brennstoff und wurde gebraucht, um Rüstungen, Hufeisen usw. zu schmieden oder um überhaupt auch erstmal Eisen zu erschmelzen. Die fortwährenden Kriege fraßen Riesenmengen an Holz, dito die großen (Stein-)Bauten, Burgen und Dome u.a. für Gerüste, Werkzeuge und vieles mehr.
Zur Zeit der Entdeckung Amerikas, kurz nach Aufgabe Ankors, herrschte eine Krise in Europa. Seine Wälder waren abgeholzt, die Flüsse leergefischt, verdreckt, trübe und träge vor Ablagerungen und Schlamm. Dabei waren sie ein wichtiges Nahrungsmittel für viele Menschen, oft die überwiegende tierische Einweißquelle - und dazu noch leicht zu fangen - denn das Wild hatte sich ja der Adel angeeignt. Europa geriet durch Raubbau an seine Grenzen, konnte seine Bevölkerung kaum ernähren.
Verstopft und verkehrt - La bourgoisie arrive
Die Kaufleute, die durch den Orienthandel mit Seide, Edelsteinen, Gold, Gewürzen usw. reich geworden waren, sowie der Adel, der auf Seide, Teppiche, Tee, Pfeffer und allerlei andere Gewürze, Edelsteine und andere Preziosien nicht mehr verzichten wollte, sahen sich durch den Fall der Handelswege im Osten, der Seidenstraße, von den Quellen ihres Reichtums bzw. ihrer Genüsse abgeschnitten, denn die Türken blockierten die Wege und bedrohten daher ihren Wohlstand. Im Jahr 1529 standen sie tatsächlich zum ersten Mal vor Wien, 1683 das zweite Mal. Wie sie es zum dritten Mal geschafft haben, wissen wir nicht; auf jeden Fall sind sie da. Ausweg aus der Krise war die Erkundung neuer Handelswege.
Isabella von Kastilien, reichste und mächtigste Frau Europas, schreibt nun Geschichte. Die Entdeckungen des Kolumbus sind die Geschichte ihrer Gier. Sie hat grade die Mauren besiegt, rüstet die drei Schiffe des Kolumbus aus, und lässt ihn "verkehrtherum" nach Westen segeln, um Indien über den Seeweg zu erreichen. Zu verlieren hat sie nichts, nur zu gewinnen: Reichtum, Handelsrouten, Untertanen, Land.
Die Menschen hungern in Europa. Nur die Eroberungen der "neuen Welten" und der Export eines guten Teils seiner "überschüssigen" Bevölkerung - und damit seiner Probleme - verschaffte den Europäern Luft. Nachgeholfen wurde diesem "Export" teils durch eine drastische Verschärfung des Strafrechts, um die Kolonien mit ihresgleichen besiedeln zu können, denn "leer" waren die kolonisierten Länder ja nie gewesen. So erkannte Anfang der Neunziger, das höchste Gericht Australiens an, dass das Land vor Einfall der Engländer vor 250 Jahren keine "Terra Nullius" gewesen war und den Ureinwohnern Landrechte zustünden. Eine späte Genugtuung.
Schon ein unbedeutender Mundraub, Bettelei, "Müßiggang" usw. konnte z.B. einen Londoner unversehens nach Australien befördern. Gleichzeitig kam es zu Landraub durch die Auflösung der Allmenden und der Vertreibung tausender von Bauern und Tagelöhnern durch das, was wir beim Landschaftsbild in England als so typisch und malerisch empfinden: Hecken und Steinwälle, Denkmäler einer Katastrophe und eines brutalen Raubzugs der Besitzenden gegen die eigene Bevölkerung.
Hintergrund ist besser als Vordergrund
Zurück zu den Filmen.
Die Begründung des Untergangs beider Systeme durch Raubbau ist schlüssig, aber es gibt doch etwas, was VOR der ganzen Geschichte liegt. Was ist dieses "Bestreben, Naturrisiken zu beherrschen und eine globalisierte Wirtschaftsstruktur zu managen", wie es in dem Film heißt, denn genau? Wer strebt dann da was an? Die Bevölkerung den Pyramidenbau der Pharaonen? Nichts hat sie damit zu tun. Sie muss den Spaß nur berappen.
Die Frage lautet doch:
Warum überhaupt der Raubbau? Warum die Irrsinnspyramiden, die angkorschen Tempelstädte, diese steinernen Zeugnisse religöser Wahngebilde? Völlig bar jeglichen praktischen Nutzens. Barays ja, sinnvoll, Brücken, Straßen, Felder, Werkstätten auch, aber Tempel? Und diese Frage beantworten die Filme nicht.
Alles zum Ruhme, der Ehre, den Himmelfahrten und dem ewigen Leben von Fürsten, Königen und Göttern? Hier verharren beide Darstellungen in der Beschreibung von Phänomenen, ohne ihre Ursachen und Entstehung zu hinterfragen. Sie beschreiben nur DASS die Verhältnisse so waren - nehmen sie quasi "gottgegeben" hin - aber erklären nicht, WARUM Menschen überhaupt den haarsträubendsten Blödsinn glauben KÖNNEN, warum sie sich versklaven lassen und dazu noch, damit andere, die Herrscherkaste, nicht sie selbst, ein ewiges Leben erlange würden. Ägypten kannte immerhin sogar die Akkordarbeit beim Pyramidenbau. Warum stellen Menschen ihr ganzes Leben in den Dienst diverser religiöser Zwangsvorstellungen, ihrer Götter, und allen, die sie verwalten und davon profitieren? Woher kommen die Götter, woher der Wahn?
Was "befähigt" Menschen dazu - schädigt sie? - die doch sonst auch ganz vernünftig handeln können? Wie ist es möglich, dass sie überzeugt sind, die "Ba-Seele" verwandle sich in einen Vogel mit Menschenkopf? Wie, dass ein toter Pharao Texte aufsagen könne?
Dan Barker, ehemaliger Priester, Autor von “Losing Faith in Faith: From Preacher to Atheist”, verweist mit folgender Anmerkung auf ein Wesensmerkmal aller Religionen, nämlich ihre unsägliche Infantilität.
„Ihr glaubt an ein Buch mit sprechenden Tieren, Zauberern, Hexen, Teufeln, Stöcken, die sich in Schlangen verwandeln, Lebensmitteln, die vom Himmel fallen, Leute, die übers Wasser marschieren und alle Arten magischer, absurder und primitiver Geschichtchen. Ihr behauptet, wir seien diejenigen, die Hilfe bedürften?“
Wenn dem so ist, dann darf man annehmen, dass dort, in der Kindheit, auch ihr Ursprung zu suchen ist, was Freud auch eindrucksvoll nachgewiesen hatte. Seine Analyse birgt aber ziemlichen gesellschaftlichen Sprengstoff, so dass niemand das anpacken will, letzlich gilt es ja auch noch "Toleranz" zu beweisen, was darauf hinausläuft, sich den größten Blödsinn anhören und dazu schweigen zu sollen. Die Tendenz läuft dahin, alle möglichen Hirngespinste gesellschaftlich zu integrieren, damit sie einigermaßen kontrolliertbar bleiben. Daher auch Islamunterricht an den Schulen. Die Öffentliche Hand lässt sich das was kosten, denn der Unterricht wird von ihr finanziert und somit gefördert.
Wir sind es gewohnt, die Trümmer des Untergangs dieser verschwundenen Zivilisationen zu besuchen und zu bewundern, die unglaublichen „Leistungen“, die „Schönheit“, die „Harmonie“ usw. Ja, wir verharren auch in „Ehrfurcht“ – seltsamer Ausdruck. Wovor soll man sich fürchten? – vor unseren Domen und anderen Sakralbauten.
Aber wem auch sollte man eine Ägyptenreise als eine zu den „Tempeln religiösen Irrsinns“ verkaufen können? Die Leute erwarten etwas anderes; folglich wird´s entsprechend verpackt, mal abgesehen, davon, dass die Marketingtanten und -onkel solcher Reisen vorstehende Gedanken kaum entwickeln würden.
Nutzlose Monumentalbauten und versteinerter Wahnsinn
Atze Schmidt schreibt in China tickt anders über die Chinesische Mauer – kein Sakral- sondern ein Profanbau – aber genauso unnütz wie jedwede Pyramide:
„Zur Zeit der Qin-Dynastie (221-207 v.Chr.) lebten in China etwa zwanzig Millionen Menschen. Man schätzt, dass rund 500 000 männliche Arbeitskräfte zu dieser Zeit für den Bau der Großen Mauer schuften mussten“.
Und: „Gegen Ende der Song-Dynastie schrieb Wu Longhan in seinem Gedicht "Pferdetränken an der Großen Mauer":
"Warum ist diese Mauer so hoch? Weil sich in ihr die Gebeine häuften. Warum ist sie so tief umrandet? Weil das Blut einen Graben schuf.“
Nichts anderes gilt für Pyramiden und verwandte Bauten. Diese unkritischen, im System befangenen Darstellungen, sind doch wohl nur deshalb möglich, weil Brechts Fragen eines Lesenden Arbeiters nicht mehr zum schulischen Kanon zählen. Warum nicht?
Hier geht es zu Teil I, Ägypten, und Teil II, Ankor.