Niedergang der Osmanen

Auflösung und Zerfall

Ohne Telefon und Internet kein Zusammenhalt

Teil II. Zum dritten Teil und hier zum ersten

Die Türken beherrschen nicht nur den Balkan und islamisierte ihn teils, sondern auch Ungarn und Gebiete des heutigen Bulgariens und Rumäniens. Seeschlacht von Lepanto
Rund fünfzig Jahre nach Byzanz eroberte sie Tunis (1574) und Zypern (1571) - daher der "Zypernkonflikt". Auch der Sieg Venedigs und Spaniens unter Teilnahme des durch Inzucht verblödeten Don Juans sowie Cervantes´ in der berühmten Seeschlacht von Lepanto (Nafpaktos) am 7. Oktober 1571 machte das nicht mehr ungeschehen, bescherte den Christen aber immerhin das Rosenkranzfest zum Gedenken, so dass sie fleißig beten können. Danach herrschte so eine Art Burgfriede im Mittelmeer: Der Osten der Türkei, der Westen den Christen, bis das Osmanische Reich weiter zerfiel. Die nordafrikanischen Gebiete lösten sich von den Türken, und die neu entstandenen Barbareskenstaaten (Barbaren), mauserten sich zwischen dem 16. und frühen 19. Jh. zu wahren Seeräubernestern, die sich an den europäischen Mittelmeerküsten mit Sklaven verproviantierten. Der Erinnerung nach, gibt es z.B. am Cap d´Agde eine Tafel, die an den Raub von Bewohnern der Stadt im 19. Jh. erinnert. Nachdem Tunis und Tripolis vor den Drohungen der Europäer Anfang des 19. Jh eingeknickt waren, bombardierten Engländer und Niederländer 1816 das letzte Kapernest, Algier (1).

Imperiale Überdehnung

Im Jahr 1827 vernichteten Engländer, Franzosen und Russen die osmanische Flotte bei Navarino, 1830 hatten die Osmanen den besetzten Teil Griechenlands verloren, nachdem sie noch mal ein kleines Massaker in Chios angerichtet und rund 50.000 Sklaven gemacht hatten. Aus Nordafrika wurden sie gänzlich vertrieben, auch durch die Kolonialmächte Frankreich (spätere Staaten Marokko, Algerien und Tunesien), die Spanien (Westsahara) und Italien (Libyen), Ägypten löste sich von der Fremdherrschaft. Grund waren "zentrifugale" Kräfte, wie es so schön heißt, also die Tendenz irgendwelcher Statthalter sich zu verselbständigen, ferner unterschiedliche Kulturen, Sprachen und die Riesenentfernungen usw., kurz Probleme "kolonialer Überdehnung", woran ja auch das Römische Reich zugrunde ging. Eine Nachricht, ein Befehl aus Istanbul bis an die Grenzen des Reiches in Nordafrika brauchte Ewigkeiten. Dazu kam eine allgemeine Rückständigkeit, denn seit der Entdeckung des Seewegs nach Indien verfiel der gewinnträchtige Handel mit Asien; die Verwaltung, die Wissenschaften, die Bildung usw. stagnierten. Gleichzeitig stieg der Aufwand, um all diese diversen Völker unter der Knute halten. Wie schon Franz Ansprenger in der "Auflösung der Kolonialreiche" darstellte, waren die Kolonien i.d.R. ein Verlustgeschäft. Das machte auch der ideologische Einsatz von weihwedel- und hostienbewaffneter Helfershelfer nicht wett. 

Dampftopf Schwarzes Meer

Nach Süden hin beherrschten die Osmanen das heutige Gebiet des Libanons, Palästinas, Israels, Jordanien, dann den Rand der Arabischen Halbinsel am Roten Meer entlang bis Medina und Mekka, den sog. Hedschas, dazu die nach Osten an die heutige Türkei angrenzenden Gebiete, also Syrien und den Irak, das alte Persien. Im Osten hatten die Russen das Reich angeknabbert, denn sie drängten aus ihrem Gefängnis heraus, an die Meere, über offene Seewege, also z.B. über die Dardanellen vorbei an Istanbul ins Mittelmeer. Im Russischen Krieg von 1768-1774 war die osmanische Flotte bereits durch Russland vernichtet worden. Russland besaß ja so gut wie keine das ganze Jahr über eisfreie Häfen, ein Riesenreich, eingekesselt von Eis. Kathatrina die Große, eine Deutsche, hatte bereits schon weite Teile im Süden dazugewonnen, die Krim erobert und Sewastopol zum Kriegshafen ausgebaut. Jetzt galt es, auch russischen Kriegsschiffen einen Ausgang nach Westen zu verschaffen. Die russische Expansion nahm unter Zar Nikolaus I. nochmals Schwung auf, aber Frankreich, das Königreich Sizilien-Piemont (Italien war noch nicht geeint) und England verbündeten sich gegen Russland und vertrieben es durch den Sieg im Krimkrieg 1856 aus dem Schwarzen Meer. Erst im April 2004 verstarb der letzte Überlebende, Teilnehmer auf der HMS Queen an der Bombardierung Sewastopols: Timothy, eine Landschildkröte, das britische Marinemaskottchen. Unterdessen brodelte es auf dem Balkan durch Unabhängigkeitsbestrebungen im heutigen Bulgarien und Rumänien. Die Türken veranstalteten 1876 in Bulgarien ein zweites Chios, bekannt als Massaker von Batak, mit 3000-7000 Toten, was die Russen als Beschützer der orthodoxen Christen auf den Plan rief, aber auch in ganz Europa Empörung hervorrief. Man befand, es gebe zu viele Türken in Europa, auf dem Balkan, eine Erkenntnis, die heute sofort gesellschaftlich geächtet werden würde. Im Russisch-Osmanischen Krieg von 1877-1878 gewann Russland dann zwar Teile des Balkans hinzu, erreichte aber aufgrund einer englischen Kriegsdrohung nicht sein Traumziel: Istanbul und die Dardanellen. Ziel der anderen Mächte war es, die Türkei zu schwächen, ohne Russland zu sehr zu stärken.

Ein bisschen VölkermordArmenierin m. Kindern

Die offensichtliche und fortdauernde Gefährdung durch Russland brachte die Türken auch gegen die Armenier in Stellung, die sie als Christen (2) für russische Spione hielten und - bis heute geleugnet - 1915 bis 1916 planmäßig vernichteten. Verhasst waren sie im Osmanischen Reich seit dem Mittelalter, und im 19. Jh. kam es immer wieder zu Massakern. Mit der Machübernahme der Jungtürken 1908 verstärkte sich der Druck. Nach der Niederlage gegen die Russen im Winterfeldzug 1915 und dem Angriff der Alliierten bei Gallipoli kam es wegen armenischer Freischärler auf Seiten Russlands zur Verschleppung und Ermordung von 250 armenischen Intellektuellen in Istanbul, worauf die planmäßige Vernichtung der Armenier einsetzte. Von den zwei Millionen überlebte nur eine halbe Million. Nutznießer des Massenmordes war vor allem ein Volk, dem heute eigentlich eher unserer Sympathien gelten, nämlich die Kurden, ihre Nachbarn, die sich die freigewordenen Häuser und Flächen unter den Nagel reißen konnten und fleißig bei Mord und Totschlag mitmischten. Wiki schreibt: "Die wehrlosen Frauen, Kinder und Alten hingegen wurden auf lange Fußmärsche unter größten Entbehrungen geschickt, wo sie den Strapazen erlagen, aber auch immer wieder Opfer von Gewalttaten der Begleittruppen oder angreifender Kurden wurden." Darstellungen des Völkermords im Film sind z.B. Das "Haus der Lerchen" der Taviani-Brüder, „Der Schnitt (The Cut) von Fatih Akin, sowie als eindrucksvollstes Werk der Film Aghet – Der Völkermord an den Armeniern (Aghet = armenisch: "Die Katastrophe") von Eric Friedler. Nur wenige konnten sich retten; die Familie Charles Aznavours ist eine der entkommenen. Tennisspieler André Agassi, die amerikanische Sängerin Cher, der russische Schachspieler Garri Kasparow, alle sind armenischen Ursprungs. Hier ein Augenzeugenbericht von Emil Heubusch, Villa in Adana, Geschäftsträger der Botschaft Konstantinopel an Reichskanzler von Bülow. Rund 800 deutsche Offiziere und 25000 Soldaten waren im Osmanischen Reich im Einsatz, die großteils von den Greueltaten gewusst haben müssen und sich vielleicht auch aktiv daran beteiligt haben. Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg schrieb 1916 ans Auswärtige Amt: "Unser einziges Ziel ist, die Türkei bis zum Ende des Krieges an unserer Seite zu halten, gleichgültig ob darüber Armenier zugrunde gehen, oder nicht. "
So billigten auch Friedrich Bronsart von Schellendorf und Hans Humann die Greuel. Humann, dessen Vater Carl den Pergamon-Altar ausgegraben hatte und den die umwohnenden Türken zu klasse Kalkstein verarbeiten wollten, rechtfertigte die Vernichtung der Armenier noch in den 1920er Jahren in der Stinnes gehörenden Deutschen Allgemeinen Zeitung.

Albion

England, das Ägypten beherrschte, sah seine Interessen weiterhin durch Russland bedroht, denn zum einen schwang es sich zum Anwalt aller Slawen auf und brachte das Gleichgewicht auf dem Balkan durch die Förderung der panslawistischen Bewegung, vor allem bei den Serben, die ja auch orthodoxen Glaubens sind, durcheinander, zum anderen gefährdete es, seitdem Monsieur Ferdinand de Lesseps seinen Suez-Kanal gegraben hatte, die Hauptschlagader zum "Juwel" der englischen Krone: Indien. Die Engländer wollten die Russen im Schwarzen Meer eingeschlossen halten.

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1.) Ausgerechnet auch die pharisäerhaften Holländer, größte Sklavenhändler der Neuzeit, die den frommen Spaß bis 1863 betrieben hatten (tatsächlich 1873, denn die "Befreiten" mussten noch zehn Jahr als Lohnarbeiter auf den Plantagen verbleiben), ein Jahr nachdem die USA ihn aufgegeben hatten. Das geschah übrigens nicht aus humanitären Gründen, sondern deswegen, weil man sie in Fabriken nicht arbeiten lassen kann. Dort könnte man sie nicht "überblicken" und kontrollieren; sie würden sabotieren usw.
Was nun das wieder bedeuten soll? Na hier mehr dazu, s. auch die Folgeseiten.
(2) Die Armenische Kirche zählt zu den „altorientalischen“ oder „orientalisch-orthodoxen“, weil sie das vierte Konzil zu Chalkedon (451) nicht anerkannte.
Die deutsche Verstrickung untersuchte Jürgen Gottschlich im Buch Beihilfe zum Völkermord. Einer der verantworlichen Jungtürken, der ehemalige Großwesir Talaat Pascha, entkam auf einem deutschen Topedoboot und lebte unbehelligt in Berlin, bis ein armenischer Rächer, Soghomon Telirian, ihn 1921 niederstreckte und ein einem weltweit aufsehenerregenden Prozess freigesprochen wurde. Alle drei geflohene Halunken, Enver, Cemal und Talaat Pascha wurden in Abwesenheit nach türkischem Recht zum Tode verurteilt, aber Atatürk verhinderte ihre Verfolgung und verschob sie bei den Verhandlungen zum Vertrag von Sèvres auf den St. Nimmerleinstag. Heute gelten die drei Massenmörder als Nationalhelden, Figuren nationaler Identifikation, nach denen zahllose Straßen, Plätze, und Schulen usw. benannt sind.
Ende April 2015 endlich erkannten Bundespräsident Gauk und Bundestagspräsident Lammert den Völkermord als solchen an, sehr zum Verdruss der Regierung Merkel, die das Wort gerne vermieden hätte.

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Foto: Armenierin m. Kindern