Exkurs Fluchen - Abwehr der Quälgeister
Sprachlich gibt es zwei Arten der Abwehr - den Fluch und den Witz. Das, was man am meisten hasst, worunter man am stärksten leidet, was einen am meisten bedrückt, wird beflucht oder bespöttelt, also durch den Kakao gezogen, kleingemacht. Was bedrückt, rührt meist von Erfahrungen aus der frühen Kindheit.
Verdammt noch mal - wie am besten fluchen?
Ähnlich werden auch Menschen bzw. Handlungen, die ersehnt, aber unerreichbar sind, niedergemacht, wie z.B. Frauen allgemein und alles Geschlechtliche. Sexuelle Beziehungen gibt es im Islam beispielsweise nur gegen Heirat, meist einhergehend mit einer Riesenverschuldung. Das, wonach mann der Sinn steht, worauf sich das Interesse konzentriert, genau das muss zumindest sprachlich kaputtgemacht, im alltäglichen Leben verdrängt werden. Warum? Weil man es nicht kriegen kann.
Lateiner, Engländer und Holländer
Tatsächlich hatte Sarkozy auf der erwähnten Landwirtschaftsausstellung Folgendes von sich gegeben: "Hau ab, arme Votze!" (1)
"Le con", engl. "cunt", ist genau das. "You cunt", und das Gegenstück "You prick" oder "Silly prick", "fuck" usw., "get stuffed" sind häufig vorkommende Flüche bzw. Aufforderungen im Englischen, wahrscheinlich mehr als "shit". Fragt man Deutsche nach dem meistgebrauchen Schimpfwort, so fällt es ihnen deshalb nicht ein, weil "Scheiße" so häufig gebraucht wird, dass es kaum noch auffällt. Ähnlich in Frankreich: "c´est con", "ce con", c´est une connerie" usw. begleiten die Franzosen den ganzen lieben Tag.
John Barcow, Sprecher des Unterhauses, musste sich wegen des Aufklebers "Bollocks to Brexit" verteidigen, was der Spiegel so übersetzte: "auf Deutsch etwa: "Scheiß auf den Brexit!". Die "Bollocks" sind das, was der Klang verrät, erinnern sie doch gleich an den "bull". Ältere erinnern sich an Never mind the Bollocks von den Sexpistols. "You bugger" ist kein Bagger, sondern ein Ziegenliebhaber, ein Sodomit. Und auch das allgegenwärtige "bloody" hat eine sexuelle Bedeutung. Was da beflucht wird, kann man nachlesen im sehr lesenswerten E-Book Die Sau ist nackt, das Weib muss weg.
"Get screwed (geschraubt), "get stuffed" (gestopft), "up yours" (deinen rauf) sind freundliche genitale Flüche oder Aufforderungen im Englischen. Weitere Beispiele siehe hier oder auch an dieser Stelle. Im Französischen verhält es sich ähnlich wie auch bei allen Völkern rund ums Mittelmeer, Katholiken und Muslime also. Genitalität ist vorherrschend. "Putain" (Nutte), "c´est con" etc. begleiten die Franzosen den Tag über. Das Setzen eines harmloses Ersatzwortes - psychologisch eine Verschiebung - verschleiert oft die Flucherei. So verbietet die französische Bourgoisie ihren Kindern dieses Wort. Wenn die auf "punaise", die "Heftzwecke", oder "purée" ausweichen, statt das verpönte Wort anzuwenden, so ist die Welt in Ordnung. Damit ist dem Anstand Genüge getan, die Kinder dürfen fluchen, denn fluchen müssen sie anscheinend, denn es handelt sich um ein Ventil. Die Gründe werden in der Gesellschaft und Kultur liegen.
Ähnlich im Deutschen: Im veralteten "Sapperment" oder "Sapperlot" wird man noch das Sakrament erkennen, im "Sack Zement" kaum, und beim "Scheibenkleister" denkt niemand mehr an das verstoßene Wort.
Bei dem bekannten Todesfall der türk. Studentin Tugce vor einer Diskothek in Offenbach kam es zu einem heftigen Wortwechsel. Der Inhalt ist derselbe: Genitalität, am schlimmsten und wirkungsvollsten unter Einbezug von Mutter oder Schwester.
Sie: "Kleiner Hurensohn". Er, Sanel M., mit Wurzeln in Serbien, beide Muslime also, antwortet: "Hurentochter" usw. Siehe auch den Link zu Germano Mosconi zum Thema genitales Fluchen. Hier spielt sich die Sache mal im Italienische ab, aber eigentlich geht es immer um dasselbe. Italienischkenntnisse sind unnötig, denn der Wortschatz ist lustig aber beschränkt: "porca madonna", "porco dio", "cazzo", "puta", "putana di madonna" usw.
Angriffe auf Mutter oder Schwester sind die schlimmsten Flüche, die Muslime auf die Palme bringen, während wir eher die Schultern zucken. Was soll das? Beide, Tugce und Sanel, wussten aber sehr wohl, wie sie einander richtig schön treffen konnten. Erzogen werden beide Geschlechter, Mädchen und Jungen, aber von Frauen. Mütter erziehen ihre Söhne zur Verachtung ihrer Töchter, ja Mädchen allgemein und schließlich sich selbst, die Mütter. Die Mädchen wandeln sich zu gehorsamen Dienerinnen ihrer Brüder und Männer. Die Mütter betreiben das Geschäft der Väter, der Männer, denn letztlich handelt es sich um eine Herrschaftsfrage.
Ähnliches Beispiel: Als Francesco Schettino von der sinkenden Costa Concordida geflohen, bzw. "zufällig in ein Rettungsboot gefallen war", fordert der Hafenkommandant ihn auf, wieder an Bord zu gehen: "Vada a bordo, cazzo!", wörtlich "Geh an Bord, du Pimmel", was unsere Presse mit "Arsch", "Idiot", wenn nicht harmloser und neutraler "übersetzte".
Beispiel aus letzter Zeit, Franck Ribéry, der nach der Kritik wegen des blattvergoldeten Steaks zu 1200 €, das er verspeiste, ausrastete:
„Fangen wir mit den Neidern und Hassern an, die durch einem löchrigen Präser entstanden sein müssen: Fickt eure Mütter, eure Großmütter und euren gesamten Stammbaum.“ Er schulde niemandem etwas, ergänzte er. Seinen Erfolg verdanke er vor allem Gott, sich selbst und seinen Vertrauten, die an ihn geglaubt hätten. Seine Kritiker seien nicht mehr als Kiesel in seinen Socken!
Der gute Ribéry ist Katholik, seine Frau Wahiba Muslimin. Seine Kinder heißen Hiziya, Shahinez, Saïf el Islam (!!??) und Mohammed. Sein Gott muss seine Hand beim Sexskandal mit einer Minderjährigen über ihn gehalten haben. Hier kommt alles zusammen: Gott, Frauen und die Füße. Diese, wie alles, was sie umhüllt, Socken, Schuhe, werden anscheinend verachtet. Man erinnere sich des Wurfs von einem Schuh auf Georg Bush. Füße und Schuhe von Frauen allerdings sind wieder eine Besonderheit, aber das können wir hier jetzt nicht auswalzen.
Thou shalt not take the name of the LORD thy God in vain
Die Holländer fluchen seltsamerweise überwiegend genital, genau wie die Lateiner, ferner auch kräfig auf ihren Gott, der ein ganz besonderes Exemplar ist. Hierzu weitere Ausführungen.
Deutsch fluchen
Wenn die Presse das tut, "Schwanz" oder "Pimmel" mit "Arsch" zu übersetzen, dann bedeutet letzteres einerseits eine allgemeine gesellschaftliche Akzeptanz hierzulande - die Presse biegt es gesellschaftskonform für ihre Leser hin - aber andererseits damit einhergehend auch eine tiefe, weitverbreitete Analität in der Gesellschaft, die andere Völker in dieser Ausprägung nicht kennen, und die z.B. durch Schimpfwörter und Fluchen abgewehrt werden muss.
Die "Lateiner" finden also das Genitale am schlimmsten, wir das Anale, die "Scheiße", unser meistgebrauchter Fluch, der gar nicht mehr auffällt, weil er eben so allgegenwärtig ist mit allerlei Ableitungen, Adverbien, Zusammensetzungen, ja sogar Verben: "scheißegal", "Scheißwetter", "bescheißen", jemanden "anscheißen", "es geht ihm beschissen", "der letzte Scheiß", "Scheiß drauf!". Und dann natürlich der "Arsch", das "Arschloch", jemanden "verarschen", "es geht ihm am Arsch vorbei", "arschkalt", "leck mich am ...", "Du kannt mich mal ...", "Himmel, Arsch und Zwirn", "sich den Arsch aufreißen", "kackfrech" u.ä. All das geht im Deutschen durch. Man mag stutzen, aber es empört nicht, man hört´s fortwährend. Mittlerweile kann das Wort sogar als Anglizismus positiv besetzt sein, denn der "heiße Scheiß" zeigt, was geht.
Irgendwo gehört hier auch das "verpissen" rein, bei uns nur im Sinne von "verschwinden" üblich, in England eine starke Aufforderung zum Abhauen: "Piss off". Ihr Nirwana erreichen Briten, wenn sie selbst "pissed" sind, "besoffen". Das tun sie mit Liebe und viel Inbrunst, so dass wochenends eine ganze Alkoholwolke über dem Land schwebt.
Als Angela Merkel im Dezember 2018 auf dem Digitalgipfel in Nürnberg erwähnte, vor ein paar Jahren mit ihrer Wortprägung vom "digitalen Neuland" einen "Shitstorm" ausgelöst zu haben - und dabei auch noch lächelte - blickten einige englischsprachige Zuhörer pikiert um sich. Das geht so gar nicht in den angelsächsischen Ländern.
Zurück zum Genitalen: "Alter Sack", "das geht mir auf den Sack" oder "Senkel", auch "kein Schwanz" bereiten keine Kopfschmerzen, aber sonst werden genitale Flüche bei uns als unterste Soße empfunden. Lehrer können aber ein Lied davon singen, wie kräftig sie von muslimischen Kindern verwendet werden und allmählich auch in den Sprachgebrauch deutscher Kinder durchsickern. "Ficken" geht bei Erwachsenenen (noch) nicht, aber es schleicht sich bereits in seiner englischen Form, "fuck" ein und fällt nicht mehr auf. Hier ist der Scheiß dann - wie so oft - tolerabel, weil er ein englischer ist. Deshalb. Ähnlich auch "WTF", "what the fuck", in sog. "sozialen Netzwerken", die eher Werbemaschinen sind, und wo das inkriminierte Wort hinter einer Abkürzung verschwindet. Alles anders natürlich beim Dschungelcamp.
Das sog. "Datenleak" aus dem Kinderzimmer im Jan. 2019 durch den zwanzigjährigen Hacker "0rbit" bzw. "G0d" (hauptsächlich waren Politiker betroffen, jene, die unsere Daten doch in die USA abfließen lassen und noch nicht mal Steuern einfordern), förderte mal wieder das Thema Passwörter hoch. Laut dem Hasso-Plattner-Institut (HPI), das die Favoriten erkundet, war das oberste Wort 2018 sage und schreibe "ficken". Tatsächlich steht es an vierter Stelle. Aber es ist das erste Wort, denn die anderen sind intelligente Zahlenkombinationen wie "12345678". Warum nicht "Scheiße"? Nun, weil das wirklich zu profan wäre, da allgegenwärtig. Aber man sieht gleich das Interesse in einer Gesellschaft. Das läuft über unsere zwei Triebe, mehr gibt es nicht: Nahrungsaufnahme, also "Essen" (Selbsterhaltungstrieb) und - da entgegen der Annahme vieler das Saufen nicht der zweite ist - das Schönste im Leben halt. Sowas aber auch!
Im Jahr zuvor übrigens, taucht das Wort nicht unter den ersten zehn auf. Das Wort ist hier allerdings kein Fluchwort. Im Gegenteil, denn der Schreiber glaubt ja, es bleibe als Passwort ja verborgen. Der Verdacht, es könne durch einen Wandel in der Bevölkerungstruktur (Zuwanderung) so hochgeklettert sein oder durch einen allgemeinen Wandel zu mehr Genitalität, bewahrheitet sich nicht.
Die liebe "Sauberkeit"
Bei uns wird nicht nur ordentlich sprachlich abgewehrt, sondern tatsächlich mächtig geschrubbt und desinfiziert. Die "Sauberkeit", die allen anderen Völkern an uns so auffällt, verrät, was Sache ist. Das ist das erste, was Ausländer über uns sagen: "Ordentlich", "sauber", was aber auch bedeutet, dass sie anders sind, denn wie könnte es ihnen sonst auffallen? Und das immerhin - und immer noch - bei einer Bevölkerung, die zu einem Drittel fremden Usprungs ist. Die Sauberkeit ist nichts anderes als die Kehrseite der Medaille: Die Furcht vor Dreck. Das ist der Kern. Warum sollte jemand "Sauberkeit" und Hygiene lieben? Wo sollten da die starken Gefühle stecken und warum? Wo, an welchen Orten, versammeln sich Leute und freuen sich wie die Schneekönige darüber, dass ebendort etwas "sauber" sei?
Nein, es ist der Horror vor Dreck, das Gegenteil also. Da stecken die Emotionen, die Abscheu, Protest und Aufruhr erzeugen, bestenfalls Interesse wecken, die durch "Ekel", einen Abwehrmechanismus, niedergehalten und somit geleugnet werden können. Was uns kollektiv gegenüber anderen Völkern auszeichnet, ist keine pingelige Sauberkeit sondern die übertriebene Angst vor "Dreck". Durch diese "Schule" gehen wir alle. Frauen besorgen das Geschäft.
Aus einem zufällig gehörten Gespräch in einer Gaststätte:
A: Ihr wart in der Türkei, gell. Wie war´s?
B: Schön; es war ganz sauber und ...
Die Antwort ist kennzeichnend. Niemand hat "B" danach gefragt, niemand prustet hierzulande bei einer solchen verrückten Antwort los, niemand wäre erstaunt. Niemand in England, in Frankreich, gäbe das als Antwort. Es ginge eher ums Befinden, ums Wetter, ums Essen usw.
Wenn man nun noch weiß, dass Dreck und Geld dasselbe sind (im Märchen z.B. der dukatenscheißende Esel; Mammon bedeutet anscheinend ursprünglich "Teufelsdreck") und man sich über die Verteilung der "sauberen" Länder und den Reichtum auf der Welt - ein Blick in den Atlas reicht - ein paar Gedanken machen kann, könnte man zu höchst fesselnden Erkenntnissen gelangen. Gemeint sind die traditionell reichen Länder, die wundersamerweise auch die protestantisch geprägten sind, während ganz Lateinamerika z.B. herkömmlicherweise ein Armenhaus ist und aus trumpschen "Shithole countries" besteht. Neuankömmlinge wie China, die aber allesamt sofort und fleißig auf dem Weg der "Sauberkeit" und "Sterilität" wandeln, sind hier auch nicht gemeint. Das ist etwas Neues.
Singapur ist das "schlimmste" Land: Es hat die Entwicklung von einem "Drecksland" binnen Kurzem in ein "sauberes", hochsteriles Land, umgesetzt, mit unglaublichen Strafen z.B. beim Wegwerfen eines Taschentuches oder Zigarettenstummels. Unbekannt ist bei dem hier Gesagten übrigens nichts, s. Freud, Reich, Fromm. China vollzieht die Geschichte über einen neuen Weg: Die völlige Verhaltenskontrolle per Punktesystem. Hier wird bei der Erziehung nicht mehr über die Sauberkeitserziehung bei Kleinkindern eingegriffen - Außenstehenden nicht einsehbar und langwierig - sondern über die totale Erfassung des Individuums mit all seinen Verhaltensweisen.
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1.) Der Romanist Prof. Hans-Martin Gauger untersuchte die Gründe zu diesen Unterschieden in seinem Buch zur Vulgärsprache Das Feuchte und das Schmutzige. Allerdings kommt er als Linguist nicht auf den Kern der Geschichte, die nämlich auch etwas mit dem "Nationalcharakter", zu tun hat. Leider eine Sache, von der niemand wirklich etwas wissen will, denn im eigenen Stall ist es halt immer ziemlich kuschelig, man kennt einander, kann die Reaktionen vorhersagen, alle Situationen gut einschätzen und alles Verhalten vorhersagen. Es gibt wenig Missverständnisse. Man ist Teil der "Guten". Bei solchen, die von außen kommen, ist das nicht der Fall. Je weiter, je fremder sie uns sind, je unterschiedlicher ihre Kulturen, ihre Sozialisation, desto problematischer ...
Dito bei Frechlingen aus dem eigenen Stall, die störende Fragen stellen.