Suche nach den heideggerschen Schanzgräben
Sprachliche Schätze und Perlen - Sottisen und Sophismen
Stoff für den Philosophieunterricht: Das Nichts nichtet - Volkssturmphilosoph mit Schüppe
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Bei Recherchen zu einer Australienseite und der Schädelsammlung an der Freiburger Uni, darunter auch solche von australischen Ureinwohnern, tauchte nebenher auch der Name von Martin Heidegger auf, ehemaliger Rektor. So vage war bekannt, dass er mit den Nazis verbandelt gewesen war, aber im Verlauf der Nachforschungen wurde immer klarer, das er auch in die Reihe historischer Miststücke gehört wie der bereits erwähnte François Mitterrand und sein Neffe Fréderic.
Nicht, dass Heidegger etwas direkt etwas mit der Sammlung zu tun gehabt hätte, abgesehen von einer gelegentlichen physischen Nähe, denn sie liegt gerade unterhalb des Audimax, einem Ort also, wo der Philosoph gelegentlich auch das Wort geschwungen haben dürfte, sowie auch einer geistigen Nähe, denn der Herr liebte auch Blut und Boden.
Begründet wurde die Sammlung vom Anthropologen und lange Zeit gepflegt und erweitert wurde die Sammlung von dem berüchtigen Freiburger "Rassehygieniker" Eugen Fischer, Mitgründer und zwischen 1927 und 1942 erster Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in Berlin. Zwischen 1900 und 1927 ließ er sich Weichteile und Schädel aus den Kolonien schicken. 1908 war er selbst in Südafrika und ließ Gräber der Nama plündern. Über seinen Nachfolger Otmar von Verschuer, Chef des berüchtigten KZ-Arztes und "Zwillingsforscher" Josef Mengele, gibt es eine weitere Verbindung über dessen erste Frau nach Freiburg - feinste Adresse, die Sonnhalde 81 (1). Sein Sohn, 1944 geboren, für den die Taten seines Vaters erst eine Katastrophe waren, war hier als Anwalt in der Rotlaubstraße zunächst unter seinem Namen Rolf Mengele tätig gewesen, ließ ihn aber später ändern. Den Nachlass seines Vater verscherbelte er nach Recherchen Gisela Freisingers 1985 für eine Million Mark an "Die Bunte" (Burda). In der Parallelstraße darüber, in der Eichhalde - sonnennäher und teurer geht´s in der Stadt nicht - bewohnte übrigens das Ehepaar Beltracchi, das die ganze Kunstszene durch die Erfindung der "Sammlung Jäger" zum Beben brachte, vor der Übersiedlung in den Knast eine Luxusvilla von 670 m2 Fläche. Wenn das illustre Ehepaar Hof hielt und zu einer Fete lud, war die ganze Freiburger Bourgoisie versammelt.
Den Eingang neben dem Audimax der hehren Anstalt bewachen eindrucksvolle Skulpturen griechischer Philosophen; obendrüber prangt - heute unauffällig, aber bis Kriegsende vergoldet - in altdeutscher Schrift: "Dem Ewigen Deutschtum", angebracht in den Dreißiger Jahren.
An dieser Stätte also war der große Philosoph - und das Parteimitglied - tätig gewesen und von 21. April 1933 bis zum 27. April 1934 Rektor. Gleich nach der Machtübernahme verloren 38 jüdische Professoren ihre Lehrstühle, darunter so berühmte Wissenschaftler wie der Mediziner Siegfried Thannhauser, der Jurist Fritz Pringsheim und der Philosoph Edmund Husserl, Heideggers Mentor und Vorgänger auf dem Lehrstuhl. Heidegger verteidigte sie nicht, hatte er doch schon lange vor der Machtergreifung die "drohende Verjudung der Wissenschaften" erkannt. Bei Husserls Begräbnis glänzte er durch Abwesenheit.
Bloß keine Klarheit - Verschwurbeln ist alles
Heidegger hatte eine ganz eigene Sprache entwickelt, die man quasi erstmal erlernen sollte, um zu verstehen, was gemeint war. Wer sein geheimnisvolles Raunen nicht kapierte, nun, der war vermutlich ein Schwachkopf. Dabei sind die Defizite doch wohl andernorts zu suchen, denn unsere Sprache hat sich zweifellos in der Auswandersetzung mit der Umwelt entwickelt, um so die Wirklichkeit abbilden zu können. Ja, sie taugt nicht nur dazu, sondern auch um Utopien, Träume, Zukunft zu entwerfen.
Bei Heidegger wimmelt es nur so vor Wortschöpfungen und Verben wie nichten, lichten, wesen. Der Wirrwarr, die Verdunklung, funktionieren allerdings so ausgezeichnet, dass z.B. selbst gestandene Kritiker den ein- und denselben Artikel, dasselbe Buch, z.B. "Sein und Zeit", sein Hauptwerk (sic!), für (Adorno) und wider (Habermas) den Nationalsozialismus interpretieren. Die Geschichte erinnert an Ganoven und Politiker, die das auch tun, um ihre wahren Absichten zu verschleiern. Wer etwas zu verbergen hat, greift zu Chiffre, Geheimtinte, verklausulierter Gaunersprache, zum Rotwelschen oder unverständlich Abstraktem.
Diese Wortkreationen führten dazu, dass nun ein "Reiseführer" zu des Meisters Werk in der Mache ist. Angesiedelt ist die Sache an der Freiburger Uni unter der Fuchtel von Prof. Günter Figal, vier Wissenschaftlern, studentischen Hiwis nebst zwölf ausländischen Gastforschern. Für das Allerweltswort "Welt" beispielsweise sind 12-15 Seiten in dem Werk vorgesehen. Das muss man sich mal vorstellen. Dafür verschleudert die Fritz-Thyssen-Stiftung über 130.000 Euro an Unterstützung. "Nimm die zweite Tür rechts", und dann eine Erklärung in die Hand gedrückt, was überhaupt eine Tür ist? Toll! Figal warf schließlich 2015 das Handtuch, wie auf der Folgeseite zu lesen ist.
Der ganze Wortwust weckt Erinnerungen an die hilflose Situation von Kindern - wie wir sie ja auch erlebt hatten - denen das Gebrabbel der Erwachenen weitgehend unzugänglich ist, und die sie schon deshalb für allmächtige, kluge Wesen halten und Achtung vor ihnen haben, weil sie sie nicht verstehen. Dass Erwachsene auch bodenlos dummes Zeugs von sich geben, ist dem armen Würmern, deren Intellekt sich ja erst noch bilden muss, nicht bewusst.
Aus dieser kindlichen Grunderfahrung rührt später auch die unglaublich Ehrfurcht vor falschen Autoritäten, Politikern, Manipulateuren, Hohlköpfen und Dummschwätzern, die einfach nur rhetorisch gut drauf sind und denen viele sogar das Gegenteil dessen abnehmen, was objektiv ohne weiteres einsichtig ist, nur weil sie es verstehen, die Lügen glaubhaft zu vermitteln.
Heideggers schönster Spruch lautet: "Das Nichts nichtet". Der ist toll. Man kann ihn zu allen Gelegenheiten hervorzaubern: Probleme mit dem PC, entschwundene Freundin, Unfälle, Busverspätungen, Redepausen? Hah: "Das Nichts nichtet". Voilà.
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1.) Der Freiburger Antiquar und Historiker Markus Wolter hat erst kürzlich die korrekte Hausnummer herausgefunden, denn vorher suchen die Behörden in der Nr. 87: Der SS-Arzt Josef Mengele zwischen Freiburg und Auschwitz. Ein örtlicher Beitrag zum Banalen und Bösen. In: "Schau-ins-Land", Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins, Jahrbuch 133 (2014).
Foto: Husserls letzter Wohnsitz, 1937-38, Schöneckstraße 6, nach der Vertreibung aus der Lorettostraße 40 aufgrund des Drucks führerfreundlicher Nachbarn.