Weltmeister

Was wird gespielt?

Nun sind "wir" Weltmeister - und jetzt?

Wir haben gewonnen? Ja, was denn? Der Berliner Watschelgang "unserer" Fußballhelden goss unnötigerweise einen Tropfen Wermut in die Geschichte.
Kinder spielen immer "mit" jemandem, beim Fußball immer "gegen". Seltsam, auch die weitere doch ziemlich kriegerische Sprache: Gegner, kämpfen, schießen ... Besonders auffallend auch bei der nationalen und internationalen Presse: Erniedrigt, zerstört, zertrümmert, zerschellt an der deutschen Mauer, Hackfleisch, Massaker, Debakel, Hinrichtung, Blitzkrieg u.ä.
Argentinien, der "Verlierer", ist im Würgegriff eines Herrn Singer und des Finanzkapitals, in Brasilien wird´s bald krachen. Uns geht es noch gut. Obwohl die Stimmung in der Wirtschaft angesichts diverser internationaler Krisen sinkt, liegt sie bei den Bürgern so hoch wie schon lange nicht.

Nach der letzten WM dämpfe im Folgejahr gleich eine Retourkutsche den Überschwang an nationalen Gefühlen, die sogenannte Finanzkrise, die dann wiederum ein Jahr später, 2008, voll ausbrach, ein Riesenraubzug des Kapitals an unserem Vermögen. Wer nun glaubt, mit allen anderen im Land "in einem Boot zu sitzen" und Interessensunterschiede nicht wahrnimmt, der ist opferbereit, leichter beherrschbar und lässt sich das Geld aus dem Geldbeutel ziehen. Das ist der Sinn von Nationalismus und letztlich auch Fußball: Identifikation, "Wir"-Gefühl, ein Zubuttern von Rissen und Ungerechtigkeiten in einer Gesellschaft. Unglaubliche Summen wurden in die Taschen von Kapitaleignern umgeschaufelt, weil die wegen möglichen Vertrauensverlustes nicht pleitegehen durften. Belastet wurden die Öffentlichen Haushalte, also letztlich neben anderen Völkern "wir", die Fußballfans, die Weltmeister. Darf man jemanden eigentlich so bezeichnen, der ungeheure Vermögenswerte verloren hat? Wie es nach dem Urteil vieler Wirtschaftswissenschaftler scheint, geht der Finanzzirkus grade weiter. Wem gehört der Laden eigentlich? Weltweit.

Was liegt an? Was bringt die Zukunft?

Die Finanzkrise ist also keineswegs abgehakt, denn laut dem Urteil vieler Wirtschaftswissenschafler geht der Spaß weiter, weil die Kontrollen nicht strikt genug seien. Die portugiesische Banco Espírito Santo wurde mit EU-Geldern gerettet, in der auch viel Geld der französichen Bank Crédit Agricole steckt. Überhaupt krieselt es mächtig in Frankreich, das viele für den nächsten Wackelkandidaten halten. Kaum geschrieben, muss Hollande abermals eine neue Regierung bilden, weil sein Wirtschafts- und Bildungsminister seine "deutsche" Austeritätspolitik nicht mehr mitmachen wollen.
Kommt die nächste Krise aus dem Hinterhalt? So ein bisschen Ebola, oder bleibt alles berechenbar?

Wird der nächste Winter kalt? Wird Putin an Gas und Öl herumfingern? Der Gipfel ist, dass die Ukraine Russland droht, die Durchleitung von Gas zu unterbinden. Das ist eine Erpressung der EU: "Zahlt Ihr unsere Schulden an Russland." Darauf wird es hinauslaufen. Viele erkundigen sich bereits, ob die Schornsteine im Haus denn auch noch ofentauglich sind ... Vielleicht käme Wilhelmshaven dann doch noch zu einer Blüte, denn sein Jade-Weser-Hafen, angelegt als Tiefwasserhafen für Riesencontainerschiffe, ist eine Pleite. Genehmigte Pläne zu einen Flüssiggashafen dort ruhen seit 1972 in der Schublade. Flüssiggas gibt´s im Überfluss: Aus Katar, Asien, Australien, den USA ...

Oder explodiert der Nahe Osten, ein verbrecherisches Kunstgebilde der ehemaligen Kolonialmächte, verhackstückt unter Missachtung jeglicher ethnischer, geschichtlicher, kultureller und sozialer Strukturen von einem Mr. Sykes und einem Monsieur Picot aus dem Leichnam des Osmanischen Reiches? Es ist deutlich, dass zumindest schon der Irak als Staat gescheitert ist.

Finanzbeben und andere Erschütterungen

Geht die Türkei unter? Politisch oder anders? Erdogan hat rückwärtsgewandte Kräfte entfesselt, insbesondere religiöse, welche die Gesellschaft tief spalten, manche auch zum Lachen bringen. Mit der Unterstützung von Dschiadisten, um das Assad-Regime zu kippen, holt sich das NATO-Land (!) die Pest an den Hals und uns vermutlich gleich mit. Zwar hat Erdogan einen Burgfrieden mit seinen Kurden geschlossen, aber es wäre eine Illusion zu glauben, dass die Kurden beiderseits der Grenzen, also in der Türkei und im Irak - dort bereits faktisch unabhängig - sich nicht irgendwann zu einem gemeinsamen Staat vereinigen wollten. Und der Westen schickt Waffen an die Kurden, die er zuvor als Terroristen brandmarkte. Von anderen Problemen, Zypern, Völkermord an den Armeniern, Meinungsfreiheit usw. wollen wir gar nicht reden.
Den IS muss Erdogan unterstützen oder dulden, und tut es auch, indem z.B. islamische Terroristen in türkischen Krankenhäusern behandelt werden, daher das zögerliche Vorgehen bei Kobane. Anderfalls würde der IS in den Touristengebieten bomben, was einen Zusammenbruch des Fremdenverkehrs zur Folge hätte.

Unter der Erde rumort es so, dass es die ganze Türkei durcheinanderwirbeln könnte. Hier Näheres.

Strahlende Zukunft

Oder wie wär´s mit einem kleinen Atomunfall in Frankreich? Wer die Franzosen kennt, ihre unglaubliche Naivität und Technokratengläubigkeit, ist sich ziemlich sicher. Wer würde auch jemandem trauen, der "nicht bis drei zählen" könnte? Bei 70 geraten sie in Stottern: Soixante-dix (sechzig und zehn). Weiter geht´s nachher z.B. so: 88 sind quatre-vingts-huit, also vier Zwanziger und acht, 99 wäre dann quatre-vingts-dix-neuf, also vier Zwanziger und neunzehn. Im November 2014 ist die französische Atomindustrie dann pleite. Hier geht´s weiter. Die Lachnummer in Frankreich im Sommer 2014 waren neue Züge, die an den Bahnsteigen entlangschrammten, da zu breit konstruiert, mit der Folge, dass unzählige Bahnsteige umgebaut werden müssten ... Alles klar?

Amerikanisierung Europas

Was könnte den "Weltmeister" in nächster Zeit noch beschäftigen?
TTIP zum Beispiel oder TISA letzteres befasst ich mit Dienstleistungen - von dem die wenigsten etwas mitbekommen haben, eine mögliche Dekomposition unserer ganzen Lebensweise durch das amerikanische oder internationale Kapital, ein Angriff auf zahlreiche soziale Errungenschaften, Verbraucherschutz und mehr. Unsere Überwachung durch die NSA scheint irgendwie schon gelaufen und akzeptiert zu sein. Die Amis werden sich das Internet und seine Kontrolle nicht aus der Hand nehmen lassen. Wie die sich ihren Investitionsschutz vorstellen, sieht man am Beispiel Australiens, wo die Regierung die vorgeschriebenen Krebswarnungen wieder von den Zigarettenpäckchen verschwinden lässt. Geklagt hatte Philipp Morris, weil auf den Schachteln die Gefahren des Rauchens hervorgehoben wurden und das Unternehmen einen Gewinneinbruch befürchtet. Ähnlich geht die Firma gegen Uruguay wegen einer Antiraucherkampagne vor. Kanada wird beklagt, weil es sich wegen des Risikos für das Grundwasser ein Moratorium gegen Fracking erlaubt und Ägypten, weil es seinen gesetzlichen Mindestlohn erhöht hat.
Das Hüttenwerk La Oroya in Peru gehört dem amerikanischen Konzern Ranco. Eshandelt es sich um einen der zehn meistverschmutzten Orte der Welt, gleichrangig mit Tschernobyl u.a.
Fast alle Kinder leiden an Bleivergiftung. Das Unternehmen erklärte sich zunächst bereit, die Anlage umweltfreundlicher umzugestalten, unternahm aber nichts, sondern berief sich im Gegenteil - ähnlich wie die Tabakleute - auf eine Investorenschutzklausel im Handelsabkommen USA-Peru. Ranco macht die Regierung verantwortlich und fordert 800 Mill. $ Schadenersatz.
Unternehmen haben oder erhielten nun neue Rechte, mit denen sie Umweltpolitik anfechten können. Dabei geht es um den diffusen Begriff einer "indirekten Enteignung", wonach nämlich bereits dann geklagt werden kann, wenn ein Unternehmen durch Handeln des Staates sein "Recht" auf vorgesehene Gewinne in der Zukunft beeinträchtigt sieht. Also aufgrund einer Vermutung. Wenn das Wirklichkeit wird, dann macht sich eine Gesellschaft völlig abhängig von Großkonzernen und hat keine Souveränität des Handelns mehr.
Auch europäische Firmen finden Gefallen an derartigen Rechtspositionen. So verklagt Vattenfall - ein schwedischer Konzern - Deutschland wegen des Atomausstiegs. Ein Konzern, dem Forsmark fast um die Ohren geflogen wäre. Nur sieben Minuten fehlten bis zum GAU. Eon und der REW gefällt das auch. 250 Mill. € fordert Eon z.B. von Niedersachsen, Bayern bzw. dem Bundesumweltministerium. Man achte darauf, wo man seinen Strom kauft ...

Phosphat

Soweit mal ein paar Gedanken über die nahe und mittlere Zukunft. Das Schlimmste in den nächsten dreißig Jahren dürfte sich aus der Erschöpfung der Phosphatlagerstätten ergeben. Noch nie gehört? Dann wird es Zeit, denn daneben sind andere Probleme ziemlich klein. Die baldige Ausbeutung der Phosphatvorkommen ist eine Katastrophe, die sich aber deutlich abzeichnet, kalkulierbar, aber bislang weder ein Thema in der Politik noch in der Gesellschaft ist.

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Drei weitere Teile zu diesem Artikel: 
Weiterer Teil: Pulverfass Türkei, Teil II
Weiterer Teil: Atomfranzosen, Teil III
Weiterer Teil: Phosphor, Teil IV

Fotos Fort-Calhoun v. Wiki