Praktika - der Pferdefuß des Mindestlohns

Die guten und die bösen Praktika

Benachteiligung bei längerfristigen Praktikantenstellen

Ab 2015 gilt ein flächendeckender Mindestlohn in Deutschland von 8,50 Euro pro Stunde.
Welche Auswirkungen hat das auf Praktikanten?
Auf den ersten Blick keine, sind Hospitanzen während des Studiums doch von der Regelung ausgenommen.
Aber: Sie dürfen nicht länger als drei Monate dauern.
Nun gilt aber in vielen Branchen, grade auch im Medienbereich, dass ein Schatz an Praxiserfahrung eben auch den Berufseinstieg erleichtern würde. Und dazu sind viele angehende Journalisten und verwandte Berufe auch bereit, selbst wenn sie nur 200-300 € monatlich erhalten würden.
Nicht zuletzt weg des Gegrummels der Medienhäuser, aber nicht nur der, wurde die Befreiung vom Mindestlohn beschlossen, denn viele betroffene Unternehmen hatten angekündigt, ihre Praktikantenstellen im Falle des ursprünglich vorgesehenen Mindestlohns radikal zu senken.
Nach der sechsten Woche Hospitanz wären nämlich 1500 € fällig gewesen statt der durchschnittlich 300 € wie üblich.

Wenig Spielraum und Kostendruck

Für viele Medienhäuser wäre das Mehr an Kosten untragbar gewesen, denn bei einigen steht es wegen schwindender Werbeeinahmen und den Verwerfungen durch das Internet finanziell nicht zum Besten.
Die Ausnahmebestimmung hat vielen Praktikem erstmal die Stellen gerettet. Firmen, die mehr zahlen wollen, dürfen das ja eh tun.
Dennoch gibt es ein Problem.
Studierende, die eigens ein Semester für ein Praktium freinehmen, das sich also über die drei Monate hinaus erstreckt, sind benachteiligt. Anwesenheitspflicht und verkürzte Semesterferien beim Bachelorstudium verhindern eine eingehende Praxiszeit wie sie einst beim Magister- oder Diplomstudium existierte.
Dabei sind längerlaufende Praktika zum Erwerb praktischer Erfahrungen durchaus sinnvoll.
Bei kürzeren sind die Abläufe in der Regel nicht vor einem Monat intus. Wer qualifizierte Aufgaben wahrnehmen will, gerät bei den Praktikumsgebern in einen Interessenskonflikt, denn der Praktikant benötigt immer des Beistands, immer muss jemand Erfahrener zu Seite stehen, die Tätigkeiten überwachen, eingreifen und korrigieren. Kaum werden die Aufgaben zuverlässig beherrscht, ist der Praktikant nach drei Monaten wieder entschwunden.

Engagiert, leistungswillig aber ohne Angebote

Bachelorabsolventen, die einige Monate bis zur Aufnahme des Masterstudiums zu überbrücken haben, rutschen folglich unter die Bestimmungen des Mindestlohns, was für die Unternehmen in beiden Fällen 1.500 Euro Monatslohn bedeutet. Die Praktikanten sind jeweils fast gleichaltrig, aber der eine ist noch eingeschrieben, der andere nicht.
Folge: Es würden kaum noch Stellen an die "teueren" Absolventen vergeben werden, sondern eher an die "billigen", jüngeren.

Ein Schuss in den Ofen für die Firmen?

Die Unternehmen sehen das durchaus auch zwiespältig, denn Praktikanten Praktikanten sind eine wichtigste Quelle an Talenten. Viele Hospitanten finden sich nach Studiabschluss wieder bei genau den Firmen als Festansteller oder Volontär ein, wo sie ein Praktikum absolviert hatten. In manchen Medienhäusern solle die Quote 30 % betragen.
Würden sie nicht zurückkehren, sondern gezwungen sein, sich über Nebenjobs zu finanzieren, so gingen viele den Unternehmen, die ja auch irgendwie in sie investiert hatten, verloren.

Das wäre besonders tragisch, da sie sich ja bereits in einem weiteren Lebensabschnitt befinden, in dem sie jederzeit ins Berufsleben wechseln könnten, denn Absolventen ließen sich gleich bei Freiwerden einer Stellen übernehmen.
In vielen Medienberufen existiert keine genormte Ausbildung; das Wissen, die nötigen Fertigkeiten werden ad hoc in der Praxis vermittelt. Praktika sind ein zentraler Einstieg in die Arbeitswelt.
Die Erfahrung zeigt, dass fast alle Praktikanen anderthalb Jahre nach Studienende eine Stelle gefunden hatten – und zwar dank ihrer Praxiserfahrung. Eine Studie des HIS-Instituts für Hochschulforschung vom Juli 2013 beweist, dass nur noch ein Prozent der Akademiker zehn Jahre nach ihrem Abschluss ohne Stelle ist.

Staatlicherseits gilt es also stärker zu unterscheiden: Wie ist die wirtschaftliche Lage einer Branche oder eines Unternehmen? Sind 1500 Euro wirklich nicht zu hoch gegriffen, angesichts der Tatsache, dass eine ausgebildete, erfahrene Kassiererin auch nicht mehr erhält?

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