Beim Menschenfresser

Umkämpfter Todesberg Hartmannsweilerkopf

Deutsch-französisches Schülertreffen und Gedenken an den Ersten Weltkrieg

Teil III. Hier geht´s zu Teil I, Hartmannsweilerkopf, hier zu Teil II., Kampflied

Unterschiedliche Befindlichkeiten am "Großen Nationalen Kriegsmahnmal"
Hier ein paar weitere Einzelheiten zum Hartmannsweilerkopf:
Obwohl strategisch fast wertlos, war der Hartmannsweilerkopf, eine 956 Meter hohe Bergkuppe in den Südvogesen, das Grab von 30 000 Soldaten im Ersten Weltkrieg. Dabei war das "Schlachtfeld" um den Gipfel selbst zwar heiß umkämpft, aber nur wenige Hektar groß.
Im Volksmund wird er daher auch "Menschenfresser" oder auch "Todesberg" genannt und steht seit 1921 als "Großes Nationales Kriegsmahnmal der Nation" unter Denkmalschutz, wie drei weitere Stätten auch.
Seit der Gründung des Deutschen Reichs nach dem von Napoleon III angezettelten Krieg 1870-71 gehörte das Elsass zum Deutschen Kaiserreich. Gleich schon Weihnachten 1914 beginnt der Krieg am "HWK". Ein paar französische Alpenjäger besetzen den Gipfel, errichten eine kleine Festung; kurz darauf folgt die erste deutsche Abteilung nur 300 Meter weiter östlich. Es kommt am 30.12.14 zu einem ersten Scharmützel und dem ersten Kriegstoten am Berg, dem württembergischen Infanteristen Maximilian Ott, Auftakt zum Gemetzel, den blutigen Offensiven und Gegenoffensiven. Wie an der ganzen Westfront üblich, graben sich beide Kriegsparteien ein und beziehen befestigte Stellungen. Artillerie, Minen- und Flammenwerfer und von französischer Seite auch Giftgas kommen bei diesem Stellungskrieg zum Einsatz.
Ein makabrer Rest von "Ritterlichkeit" bleibt gewahrt. Als am 21. Januar 1915 nach erbittertem Widerstand ein von französischen Alpenjägern gehaltenen Posten eingenommen werden kann, sind die Deutschen so „erstaunt über die kleine Zahl der Verteidiger und voller Respekt vor deren Kühnheit, dass das deutsche Kommando der kleinen Besatzung alle militärischen Ehren gewährt und sie am nächsten Tag mit geschulterter Waffe stolz durch die Straßen von Mülhausen in die Gefangenschaft marschieren lässt“.
Bunker und Schützengräben durchziehen das Gelände, bei dem die Gräben des Feindes teils kaum 20 Meter voneinander entfernt liegen. In einer Dokumentation der Gedenkstätte wird ein französischer Soldat zitiert: „Zu meiner Überraschung sehe ich etwa zehn Meter vor mir mehrere Boches *, die seelenruhig einen Graben parallel zu unserem Graben ausheben (...) Diese Fritz sind noch sehr jung: Sie scheinen kaum 20 Jahre alt zu sein.“

Die Schützengräben bilden einen kniehohen Sumpf aus Wasser, Urin, Kot und Leichenteilen. Seuchen breiten sich aus; das Gelände verwandelt sich in eine Mondlandschaft. Allein am 21. Dezember 1915 feuert die französische Artillerie 250 000 Granaten ab.
Warum hier zehntausende Soldaten zerfetzt wurden, ist unklar, denn die Annahme, dass die französische Militärführung den Berg besetzen wollte, um von dort aus die Eisenbahn- und Straßenverbindungen zwischen Mülhausen und Kolmar zu zerstören, ist falsch, da diese außerhalb der Reichweite damaliger Kanonen lagen.

Unterschiede zwischen Deutschen und Franzosen

Goldglänzender Altar fürs Vaterland

Viele Bunker, Gräben und Befestigungen am "Menschenfresser" blieben erhalten, darunter 90 Kilometer Schützengräben und 6000 Bunker, die teils besichtigt werden können. Die Präsidenten Hollande und Gauck gaben 2014 den Startschuss zu einer Umwidmung des einstigen rein französischen Mahnmals in eine binationale Gedenkstätte.
Dazu zählt auch der Neubau des "Historial", eines Informationszentrums, für die jährlich 200.000 Besucher des Hartmannsweilerkopf, sowie die Renovierung der unterirdischen Krypta von 1932 mit den Überresten von 12 000 Gefallenen. In ihrem Eingang sollen nunmehr auch die deutschen Regimenter genannt werden, die dort kämpften, also wohl auch mit den dort eingesetzten Vorfahren der heutigen französischen Schüler, wenn die kaiserliche Armee sie nicht aus taktischen Gründen fern der Heimat eingesetzt hätte. Aufpoliert wird auch der erwähnte pseudoreligiöse "Altar für das Vaterland", eine religiöse Verbrämung, mit dem deutsche Besucher eher nichts anfangen können. Aber in der Wirtschaftskrise macht sich das immer gut, denn Nationalismus ist der Kitt zum Zusammenhalt, der auch so manche sozialistische Regierung retten könnte.

Politischer Diskurs und feudale RelikteDuell Deferre

Französische Politiker sind immer noch flott mit feudalen Begriffen wie dem "Ruhm" oder der "Ehre" dabei, ferner der "Nation", dem "Vaterland", ja sogar den "Blutsbanden", s. Hollande auf der Vorseite, usw. Zwar hatte das französische Volk den Adel entmachtet, aber die Bourgoisie hockte sich gleich in die königlichen Kaleschen. Die nunmehr arbeitslosen Köche eröffneten die ersten Restaurants der Welt - das "Procope", das allererste, existiert bis heute im 6. Pariser Arrondissement - und bekannte Sattler nahmen sich der Herstellung netter Täschchen an, begehrte Accessoires in der weiblichen Welt rund um den Globus. Luxuswaren, Juwelen, Mode, all das entstammt Versailles, hatte die Revolution aber mit ausgelöst, denn das Volk hatte die Rechnung ja beglichen und hungerte. Es gibt viele solcher "aristokratischer" Reste im alltäglichen Leben, so z.B. höchst gewundene und gedrechselte Briefschlüsse, die man bei uns in die Zeit vor den Ersten Weltkrieg verweisen würde, die Anrede "Monsieur", also "mon Sire". In hochbourgoisen Familien wurden Kinder teils bis vor kurzem - heute noch? - noch "gesiezt": "Cécile, venez ici" ... Auch auf Brigitte Bardot traf das z.B. zu, hier aber als Strafe, die sie sich mit neun Jahren wegen einer zertrümmerten chinesischen Vase eingehandelt hatte. Es gilt halt Distanz zu den "Untertanen" zu wahren ... sprachlich und emotional, was dann auch mit einer gewissen Gefühlskälte einhergehen kann. Arme Kinder!
Aus dem Bekanntenkreis: Schauplatz Brasilien, eine französiche Firma. Die Kleine, gesiezt, wuchs dort die ersten Jahre unter der Betreuung einer einheimischen "Nounou" (Kindermächen) auf, sprach aber nicht. Der Vater war bei einem großen Elektrokonzern tätig, wahrscheinlich involviert im brasilianischen Atomreaktorbau. Die Eltern führten ein reges gesellschaftliches Leben. Langsam machten sie sich Sorgen wegen des stummen, anscheinend retardierten Kindes, dachten an eine Therapie, ja, bis sie es eines Tages in der Küche fließend mit seiner Nounou babbeln hörten und aus allen Wolken fielen ...

Das letzte Gefecht

Das letztbekannte Duell in Frankreich, ein typisch feudales Vergnügen, fand 1967 zwischen Gaston Deferre, Bürgermeister von Marseille, und dem Abgeordnetem René Ribière statt, der sich von Deferre bei einer Parlamentsdebatte beleidigt fühlte. Ribière forderte ihn heraus, Deferre nahm an. Vereinbart wurde ein Duell per Säbel, das nicht nur fotografiert wurde, sondern über das Gaumont auch in einem Wochenschaufilmchen berichtetete.
Der Garten eines Privathauses nahe Paris war Schauplatz der tapferen Ehrenmänner.
Schiedsrichter war ein M. de Libowski. Entscheidend sollte der erste Blutstropfen sein. Deferre gelang es, den Unterarm von Ribière zu touchieren, so dass Blut rann. Damit ging er als Gewinner aus dem Kampf hervor.
Tatsächlich waren Duelle von mittelalterlichen Herrschern immer wieder verboten worden, denn es blieben einfach zu viele auf der Walstatt und fehlten als Krieger. Die Bourgoisie hingegen belebte diesen Brauch, einfach weil sie auch sonstige Verhaltensweisen des Adels, den sie bekämpft hatte, übernahm. Man musste sich ja schließlich vom gemeinen Volk unterscheiden. Und das war eh nicht satisfaktionsfähig. Mit einem Bauern konnte man sich nicht duellieren.

Weiterer Menschenfresser

Von Napoleon, einem anderen "Menschenfresser", Kritik auch tabu, wollen wir hier nicht mehr lange reden. Gut über ein Zehntel der französischen Armee bestand aus zwangsrekrutierten Deutschen, dreieinhalb Millionen Kriegstote soll es gegeben haben. Würde man Österreicher, Elsässer, Lothringer, die ja als Franzosen galten, sowie Deutschschweizer, Holländer, Luxemburger und Flamen, die keine Franzosen sondern bis zum Westfälischen Frieden 1648 Angehörige des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation waren, auch noch einrechnen, so läge die Quote um einiges höher.

Fazit: Es gilt immer genau hinzugucken und nicht zu glauben, was man glauben möchte und schon lange nicht das, was andere über sich glauben, wie sie sich sehen.

Teil III. Hier geht´s zu Teil I, Hartmannsweilerkopf, hier zu Teil II., Kampflied

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* Schweine, Schimpfwort f. Deutsche

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