Bedingungslose Liebe und die Große Stille
Religion - eine Massenneurose: Zwang, Kontrolle und Gehirnwäsche
Wer den kürzlich bei Arte gezeigten Film Bedingungslose Liebe von Stephanie Pillonca-Kervern über ihre Schwester, die als Nonne im Kloster Mariä-Himmelfahrt zwischen Tel Aviv und Jerusalem lebt, gesehen hat, wird das erwähnte Psychogefängnis erkennen. Eine unablässige Abfolge von Sichhinwerfen, Sicherheben, Knieen, Kreuzküssen, Berühren von Heiligenfiguren, insbesondere Mariens, Singsang, unablässig wiederholten Sprüchen - sogar beim Hostienteigkneten, wie "Oh Jesus, ich verehre dich und empfange deine Liebe - usw., und immer wieder "die Schuld". Mindestens an einer Stelle wird gleich der ganze Jesus am Kreuz umpfangen und geküsst. Auch das offen sexuelle Füßeküssen kommt immer wieder vor. Dabei können die Mädels in Wirklichkeit überhaupt nichts Böses anstellen - außer mit sich selbst vielleicht - denn der ganze Tag läuft abgesehen von Gesang und Gebet unter völligem Schweigen und absoluter Kontrolle ab. In der Küche wird kurz mal geflüstert. Die Zeit scheint völlig getaktet, jede Minute, jede Bewegung im Kloster, verregelt zu sein, an allen Ecken und Enden ist dem Gott* per Zeichen, Verbeugung, Knicks oder Kniefall zu huldigen; und wenn "nichts" passiert, so wandeln sie doch mit gefalteten Händen daher. Allein sind die Nonnen nur nachts, dito beim Mittagessen, wo ihnen über eine Klappe die Mahlzeiten in die Zelle gereicht werden.
Gelegentlich sind höchst intellektuelle Dialoge eingestreut, wie der über das Glück und Gebären, was hier nicht nicht kommentiert werden soll, denn da sind erfahrene, fromme Fachfrauen am Werk.
Warum das Ganze? Die Nonnen sind überzeugt, "durch ihre Gebete die Menschheit ein wenig besser machen zu können". Auf Deutsch: Zaubern zu können, denn sie sagen Sprüche auf, die auf die Dinge einwirken. Klasse. Oder so: Sie schicken Botschaften gen Himmel, an die Engel, die Heiligen, ihren Gott usw., die dann etwas tun. Tritt das Ersehnte ein, so wurden sie erhört, andernfalls sind die Wege des Herrn unergründlich, die sündhafte Existenz der Bittstellerinnen hat´s verhindert, wogegen nur noch dolleres Beten und Versinken in diesen Wahnvorstellungen hilft.
Das Kloster gehört übrigens zur Ordensgemeinschaft der Monastischen Familie von Bethlehem, der Aufnahme Mariens in den Himmel und des Heiligen Bruno, den jeder bei Besessenheit und gegen die Pest anrufen sollte. Vielleicht sollen sie ihn auch zu Abwehr von Überfällen anrufen, denn Kollegen im Benediktinerkloster Tabgha hatten einen kleinen Brandanschlag jüdischer Siedler zu überstehen, welche die "Heiden" schmähten und zur "Zerstörung von Götzen" aufriefen, nach einer Zeile aus einem Gebet, das Juden morgens und abends sprechen.
Ansonsten: Einfach eine eindrucksvolle Dokumentation der Krankheit, wie von Freud in Zwangshandlungen und Religionsübungen beschrieben.
Eine Krankheit wird allerdings nicht zur Nichtkrankheit, nur weil sie massenhaft aufträte oder weil sie der Politik, Behörden oder gesellschaftlichen Kräften nicht passen würde. Wer wollte behaupten, dass der Krebs keine Krankheit sei, nur weil alle daran sterben?
Der Film ist quasi eine kino- und fernsehgerechte Leichtfassung des mehrfach ausgezeichneten Films von Philip Gröning, Die Große Stille von 2005, der das Leben im Kartäuserkloster La Grande Chartreuse zeigt, und auch in Programmkinos lief, Dauer 2,41 Stunden! Das Kloster ist übrigens eine Gründung grade erwähnten Besessenheits-Heiligen Bruno. Der Link führt auf eine portugiesische Fassung, da nichts Deutsches in voller Länge vorhanden war, aber keine Bange: Abgesehen von diversen Gebeten und einem kleinen Ausflug, der ähnlich auch in der "Bedingungslosen Liebe" auftaucht, und wo die Akteure endlich mal als "normale" Menschen zu erleben sind, scherzen und lachen, wird einfach nur geschwiegen; manchmal sind Gesänge oder Gebete untertitelt. Das ist schon beeindruckend, vor allem im eh schon finsteren Kino, wenn die ganze Leinwand fast schwarz ist und in der Ferne nur eine Kerze oder die Ampel schimmert (ca. Minute 18 oder 1,58.00). Einige Szenen kommen einem also nach dem anderen Film bekannt vor, so gibt es auch hier die Essenszuteilung über eine Klappe. Bertram Jenisch von der Denkmalpflege Freiburg berichtet über das ehemalige Kartäuserkloster, dass selbst der Blickkontakt zwischen dem essenbringenden Bruder und den Zelleninsassen unterbunden wurde. Tja, warum, warum nur? Ihr stilles Einsiedlerleben sei auch Anlass für die erste "Naturschutzordnung" der Stadt, denn da sie nichts zu hören bekamen außer dem Vogelsang, den sie nicht missen mochten, wurden die Vögel um das Kloster herum geschützt. Ein weitgehender Sinnesentzug also, bekannt in der modernen Folterei als "Deprivation", wie in der Einzelhaft usw. Keine Chance auf eine Auseinandersetzung mit der Welt und lebendigem Denken.
Man erlebt außerordentlich berührende Szenen, ca. bei Minute 1,44,00, wo einer der alten Knaben, knochig, knorrig und verdorrt, an eine dieser elenden spätmittelalterlichen Christusfiguren erinnernd, von einem anderen liebevoll eingerieben wird, ähnlich bei Minute 1,48,20, wo die Barbiere zu Werke sind. Und dann noch der, bei Minute 1,36,10, dessen Leben zu verlöschen scheint. Gradezu surrealistische Aufnahmen vom Gewitterregen fängt die Kamera bei Min. 2,07.45 ein. Andere Bilder erinnnern an Stilleben der holländischen Maler wie bei Min. 1,01.00. Kurzum: Ein Meisterwerk!
Der Katholizismus hat den Sinnen immer viel geboten und wusste die Gläubigen auch gefühlsmäßig bei der Stange zu halten, anders als der nüchterne Protestantismus, wo das "Wort" im Mittelpunkt steht. Ein zauberhafter Film für Zauberer, Hexen, EsoterikerInnen, aber auch für alle, die das Ganze kritisch als das sehen, was er ist: Eine Dokumentation dieser Krankheit, was die Filmemacher natürlich gar nicht beabsichtigt hatten. Man wird ihn in Erinnerung behalten; das ist sicher, ganz gleich, von welcher Warte man das Geschehen betrachtet.
Karlheinz Deschner hat dasselbe vor Jahren ähnlich in seinem Werk Das Kreuz mit der Kirche belegt, immer noch erhältlich, ein Buch, das jede Mutter ihrer dreizehn-, vierzehnjährigen Tochter auf den Nachttisch legen sollte.
Zwangsneurosen - Es muss so sein, es darf nicht anders sein
Freund hat Religionen gut als Zwangsneurosen, Krankheiten also, entlarvt, sich aber öffentlich nicht mehr damit auseinandergesetzt, da er eh schon unter Beschuss stand, war die Entdeckung frühkindlicher Sexualität doch ein Skandal ersten Ranges, den die westliche Welt erstmal verdauen musste, denn das Bürgertum sah seine Kinder lieber als unschuldige, pausbäckige, Engelchen.
Bei Kindern ist animistisches, magisches Denken normal, bei Erwachsenen, mit Talisman, Amuletten, Glückzahlen, Göttern usw. nicht mehr so doll, aber durchaus "gängig", "üblich", oder wie auch immer. Das hat wenig mit Intelligenz zu tun, denn Gläubige können offenbar sehr gut ihr Leben meistern, rational handeln, Betriebe führen, Großartiges leisten. Man kann psychisch einen Knacks oder Phobien haben, gelegentlich Stimmen hören, usw., aber in den meisten Bereichen des Lebens dennoch angemessen funktionieren. Ähnlich ja auch bei physischen Gebrechen: Warum sollte ein Zuckerkranker nicht Informatiker, ein Rennfahrerass, ein Schachgenie, Sportler u.ä. sein können? Ein Gläubiger kann sehr gut durchs Leben kommen, denn hat etwas geklappt, dann hatte der Herr ihn erhört, andernfalls hatte er ihn wegen Sündhaftigkeit bestraft, oder - wenn er keine Antwort weiß - waren die Wege des Herrn halt unergründlich. Aber immer spendet er Trost, weil den Gläubigen auf all seinen Wegen begleitet, besser: "geleitet", denn der Gläubige agiert ja quasi als Marionette seines Gottes. Immer ist der da, will etwas, entweder Tun oder Unterlassen, schreibt etwas vor. Wer mit einem Christen oder einer Christin im Leben zu tun hat, wird bald merken, dass er in einer Dreiecksbeziehung steckt, denn immer liegt der Gott mit im Bett.
Trotzdem ist die Anrufung von Objekten, Bildern, Figuren, eine seltsame und erklärungsbedürftige Geschichte sowie natürlich auch die, dass idelle Gebilde im Himmel, in der Hölle oder andernorts Wünsche erfüllen können sollten. Solange das Arbeitsleben nicht darunter leidet, bleibt das "privat", eine Marotte etc.
Es kommt nun überhaupt nicht darauf an, an WELCHEN Göttern, Religionen oder was auch immer jemand anhängt, sondern WARUM er es tut, was ihn befähigt, diesen offenkundigen - immer unglaublich infantilen - Unsinn zu glauben. Welcher Gott, Prophet, Schreiberling was gesagt, getan oder niedergelegt hat, ist völlig unerheblich. Darin darf man sich keinesfalls in Diskussionen verlieren. Wichtig ist letztlich nicht, welche besondere Ausformung eine Neurose hat, sondern wie und warum jemand sie sich zugezogen hat und im weiteren dann, wer sie nährt und davon profitiert. Die Frage nach dem WARUM muss später mal behandelt werden; hier geht es augenblicklich darum, den Blick dafür zu öffnen, DASS es sich um eine Neurose handelt und die Symptome der Betroffenen zu beschreiben.
Rituelle Zwangshandlungen
Alle Religionsausübungen sind von zig Zwangshandlungen begleitet, die - sofern der Gläubige daran gehindert wird - Unruhe und Angst erzeugen, s. auch den Link unter "Magisches Denken" oben. Fünfmal täglich nach Mekka niederwerfen, Rosenkranz, Bekreuzigen, Knien, Aufstehen, wieder Knien, Aufstehen ..., das auffällige, seltsame Gewippe von Juden beim Beten, usw. Man greife Stift und Papier, setze sich in die letzte Reihe der Kirchenbank und notiere, was abläuft: Finger ins Weihwasser am Eingang tauchen, Knicks vor dem Kreuz in der Ferne, Bekreuzigung usw. usw. Hochinteresssant auch die Unterschiede zwischen Katholiken und Protestanten.
Es ist augenfällig, dass da etwas nicht stimmt. Jeder kann es sehen. Es ist wie bei des Kaisers Neuen Kleider und dabei ganz einfach - ein Besucher vom Mars würde sagen: Die spinnen! Kinder weniger, denn meist sind sie noch dem magischen Denken verhaftet oder haben schon genügend Frommes von ihrer Umgebung abgekriegt. Man braucht einfach nur einen naiven, unverstellten Blick.
Das Leben eines gläubigen Juden beispielsweise ist ein unglaubliches Regelwerk, überall Verbote und Gebote, den ganzen Tag lang, ein Psychogefängnis. Ein intellektueller Knast und überall dasselbe: Moslems, Hindus, Buddhisten usw. Unter obigen Links also zwei anschauliche und eindrucksvolle Quellen zur Krankheit, wie von Freud diagnostiziert, die allen mit offenem Blick alles verraten.
Christliches Abendland mit der wertvollsten, der "richtigen", Neurose
Wer also nicht die ganze Diskussion um Religionen als ein- und dieselbe Geschichte, eine einzige Krankheit in unterschiedlicher Ausformung, erkennen kann, versteht überhaupt nichts. Es ist übrigens auch höchst seltsam, dass es in letzter Zeit quasi von Rechts bis Links eine Art Schulterschluss zur Verteidigung der "Werte unseres christlich-jüdisch geprägten Abendlandes" gibt, also eine Art Besinnnung aufs Christentum und seine Verteidigung, das ja nur Teil der ganzen Misere ist. Dies von auch von vielen Leuten, die sich normalerweise nicht großartig aufs Christentum berufen würden, es aber als Speer gegen den Islam nutzen wollen und deswegen ideologisch zusammenrücken. Auch Merkel bezieht sich immer öfter auf ihren Gott und forderte auf, Weihnachtslieder zu singen ...
Die gesellschaftliche Brisanz bei Diskussionen über den Islam - hin oder her - liegt natürlich darin begründet, dass man auch sofort beim Christentum landet, und das in einem Land mit Parteien, die sich als "christlich" definieren. Das ist die Bombe - aber sie wurde bereits 1907 gelegt. Nichts ist unbekannt. Da diese Erkenntnisse tabu sind, eine gewisse Neurotisierung der Gesellschaft auch erwünscht ist - alle Herrschenden haben sie immer unterstützt - laufen auch alle Diskussionen schief. Politisch geht es nur darum, diverse Ausbildungen fremder Religionen gesellschaftlich unter Kontrolle zu bekommen und in akzeptable Bahnen zu lenken, unter Einschluss von Kompromissen bei Beschneidung, Schächtung, Gewandung und - dem Kern aller Religionen: Dem Verhältnis zum anderen Geschlecht. Nie aber wird das seltsame Gebaren Gläubiger grundsätzlich in Frage gestellt, denn dann müsste man Betroffenen zumindest auf Wunsch helfen, sich von ihrem Glauben zu lösen und ferner eine Trennung von Religionen und Staat anstreben.
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* Wer sich über den bestimmten Artikel hier wundert, lese hier weiter.
Die "Chartreuse" ist übrigens ist auch ein feiner Kräuterlikör, gelb, besser grün, ein angenehmer Genuss zur kalten Jahreszeit. In Bars gehen sie als Cocktails, als "Windows Kiss" oder "Last World", über den Tresen.
Foto: Wiki