Kopfjäger in Australien

Auftragsmord und Aborigines-Schädel

Knochensammler unterwegs

Nach Felix Ritter von Luschan, einem der Nachfolger Rudolf Virchows, starben nicht alle in der Kolonie durch Kriegshandlungen, die später als wissenschaftliche Objekte eine Reise nach Deutschland antraten.
Er schrieb, nachdem er nachdrücklich um Skelette gebeten hatte: "Es würde mich nicht wundern, wenn demnächst einige von diesen stürben, ohne krank geworden zu sein."

Ein anderer Deutscher, Richard Simon, der 1891, Nordaustralien bereist hatte, gibt in seinem Buch folgendes Gespräch wieder:
"Schade, dass X nicht mehr lebt. Der hätte ihnen soviel Schädel besorgt, wie Sie gewollt hätten."
Ich fragte erstaunt, wie ihm das möglich gewesen sein würde, und erhielt die kaltblütige Antwort,
"Er wurde sie ganz einfach geschossen haben."

Demnach darf man annnehmen, dass regelrecht Jagd auf die Ureinwohner gemacht wurde. Es gab keine Skrupel, um sich das begehrte "Material" zu beschaffen. Jedes Mittel war recht; bei Bedarf wurde die Handelsware eben besorgt.

Unter den insgesamt 1600 Schädeln stammen mit Sicherheit einige von Aborigines, den Ureinwohnern Australiens.
Die Freiburger Sammlung ist nun nicht die einzige in Deutschland. So liegen z.B. auch 800 Köpfe, davon mindestens 19 Schädel von Aborigines, zu rassekundlichen Untersuchungen vor allem während des Kaiserreichs eingeführt, in der Berliner Charité.
Skelette und Schädel vom Fünften Kontinent waren bei den Forschern aufgrund des Werks von Charles Darwin im Schwang, denn seine Erkenntnisse von der tierischen Vergangenheit des Menschen zog eine Suche nach dem fehlenden Bindeglied zwischen Mensch und Affe nach sich, das sie in den australischen "Steinzeitwesen" gefunden zu haben glaubten. Gegen Ende des 19. Jhs übertrug der Zoologe Ernst Haeckel die Selektionstheorie Darwins auf Menschen und fomte sie zu einer Weltanschauung, wo sich menschliche Rassen stark voneinander unterschieden und ebenso gnadenlos in Konkurrenz stünden wie im Tierreich. Sofort machten sich Forscher der Anthropologie, einer ganz jungen Wissenschaft, neugierig und beflissen an die Arbeit, um Rassenunterschiede herauszuarbeiten. Knochen und Präparate der "urtümlichen" Aborigines wurden zu gefragten Vergleichsobjekten. Noch dazu galt es, sich zu sputen, denn Darwin gab den Ureinwohnern keine Überlebenschance bei der Begegnung mit den Weißen. Ein Pech aller Sammler war es, dass die Quellen fern und schwer zugänglich waren. Es gab keinen ordentlichen Kolonialkrieg, der Massen von "Objekten" hätte liefern können, noch hatte man, was Deutschland betrifft, einen Fuß in Australien.

Rassenarchive

Ziel der Forscher war es, ein umfassendes "Archiv der Rassen" aufbauen, insbesondere auch der "aussterbenden", um Rückschlüsse auf die Menschheitsgeschichte gewinnen zu können. Die Anthropometrie entwickelte ständig neue Vermessungsmethoden zur Einteilung und Hierarchisierung von "Rassen". Einige Forscher glaubten, psychische Eigenschaften ließen sich auch aus der Schädelform herleiten.
Dass die Arier, die "weiße Rasse", die höchste Entwicklungsstufe darstellte, gehörte zu den Grundannahmen der meisten früheren Anthropologen. Besonders um die Radikalisierung des wissenschaftlichen Rassismus und dessen spätere Bedeutung bei den Nazis verdient gemacht hatte sich der vorgenannte Eugen Fischer. Er agitierte etwa gegen "Rassenmischehen", weil sie den genetischen Abstieg des deutschen Volkes zur Folge hätten.

Gelagert sind die Freiburger Schädel übrigens ein Stockwerk unter dem Audimax des KG I, im sogenannten "Universeum". Vor dem Gebäude wachen zwei Skulpturen griechischer Philosophen beidseits der Freitreppe, links Homer, rechts Aristoteles, darüber, dass die Studis auch richtig lernen und ihre Erkenntnisse nicht nur bei Wiki abrufen. Wer sich etwas entfernt und den Blick nach ganz oben richtet, erblickt in großen Sütterlin-Lettern die Worte "Dem Ewigen Deutschtum" in die Sandsteinfassade gemeißelt, einst vergoldet gewesen, nach dem Krieg allerdings nicht mehr. Angebracht wurde der Spruch in den Dreißigern, zur Ära einer anderen Geistesgröße, dem Oberphilosophen, Parteimitglied und Freiburger Rektor Martin Heidegger. Allerdings war der dafür nicht direkt verantwortlich.
Dessen schönster Spruch, so findet die Redaktion, lautet: "Das Nichts nichtet". Der ist toll. Man kann ihn zu allen Gelegenheiten hervorzaubern: Probleme mit dem PC, entschwundene Freundin, Unfälle, Busverspätungen, Redepausen? Hah: "Das Nichts nichtet". Voilà.

Im März 2014 übergab die Uni Freiburg 14 Herero-Schädel an die Botschaft von Namibia. In Namibia empfand man den Umgang mit den sterblichen Überresten der Vorfahren als entwürdigend. Eine im Frühjahr 2012 geplante Übergabe der Schädel hatte die Botschaft in Namibia abgesagt, weil sie wünschte, alle in Deutschland befindlichen Schädel zusammen in einem Rutsch und nicht schädelweise zu erhalten. Vorher war es im Herbst 2011 bei der Übergabe von 20 Schädeln der Charité in Berlin zum Eklat gekommen, weil sich Vertreter Namibias nicht angemessen von der Bundesregierung behandelt gefühlt hatten.
Hinter den Kulissen geht es um einiges mehr, weil eine Entschuldigung der Bundesregierung an dem Mord von 80 000 Herero bei ihrem Aufstand beispielsweise Entschädigungsforderungen nach sich ziehen könnte. Aus demselben Grund hatte sich vermutlich auch das Außenamt gegenüber dem Unirektor vor einigen Jahren geweigert, die Untersuchung der Schädel zu bezuschussen.
Wie auch immer: Die Namibier dürften sich bei ihrer Ankunft in Freiburg die Augen gerieben haben, denn mit den Gepflogenheiten der hiesigen Eingeborenen, dem seltsamen Brauchtum ihrer Stämme, dürften sie kaum vertraut sein. Angerückt sind sie vermutlich am Rosenmontag, denn die Schädelübergabe erfolgt am Dienstag ... Freiburg in voller "Fasnetaktion".

Fortsetzung, 1464

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