Vom Fleisch befreit und versandfertig
Rassenkunde
Um hier zum Punkt zu kommen, muss man etwas ausholen und einen kleinen Ausflug nach Afrika unternehmen. Einmal, weil folgende Geschichte hier gut belegt ist, weil sie einige finstere Seiten der Wissenschaftsgeschichte zeigt und dabei auch einen Schatten auf ausgesprochene Koryphäen wir Rudolf Virchow wirft, ferner wie "unbefangen" damals mit menschlichen Gebeinen und Leichenteilen umgegangen wurde und schließlich, weil sie auch zeigt, dass auf Bestellung gemordet wurde.
Der Pathologe Virchow, Professor an der Berliner Charité und prominenter Mitbegründer der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, bemüht sich darum, die "Lehre vom Wesen des Menschen" aus einer reinen ungeordneteten und unübersichtlichen Sammelei in eine exakte Wissenschaft zu verwandeln. Und um allgemeingültige Feststellungen treffen zu können, benötigt er jede Menge Skelette, wie er glaubte ...
Das Ganze ist beileibe keine typisch deutsche Geschichte. Museen in aller Welt haben heute Probleme - Dutzende haben "skeletons in the cupboard", in alle Großstädten: Washington, New York, London und Paris. Fachleute kennen Tausende ungelöster Fälle, in denen geraubt, geplündert oder sogar gemordet wurde - alles im Namen der Wissenschaft. Auch Schädel der Aborigines. Gut bekannt ist mittlerweile der Fall von William Ramsay Smith.
Leichen im Schrank
Auch Deutschland hatte seine Kolonien gehabt. Dazu nachstehende Episode, die uns später auch nach Australien führt:
Im Februar 2007 erlebte der deutsche Botschafter in Namibia einen Schwarzen Tag.
Auf Einladung von eines gewissen David Fredericks, Oberhaupt des Stammes der Aman, hatten sich zur feierlichen Enthüllung einer Gedenktafel für dessen Großonkel, Cornelius Fredericks, verschiedene Angehörige der Nama versammelt. Dieser war auf der Haifischinsel 1907 Jahre verstorben. Der Botschafter wollte Versöhnung und Völkerfreundschaft demonstrieren und hielt eine Rede, in der er auf den Völkermord an den Herero (damals auch Hottentotten genannt) sowie den Nama Bezug nahm. In seiner Ansprache sagte er:
"Die Haifischinsel ist in unserem Gedächtnis eingeprägt als eines der ersten Konzentrationslager, ein Ort, an dem die Unmenschlichkeit regierte."
Fredericks war einer der Anführer im Nama-Aufstand gegen die deutschen Besatzer gewesen. Nach Niederlegung der Waffen und Gefangennahme im Jahr 1906 wurde er in das berüchtigte Gefangenenlager auf der Haifischinsel bei Lüderitz im Süden des heutigen Namibias geschafft.
Dokumente aus der Kolonialzeit belegen, dass von dort Schädel und andere Leichenteile nach Deutschland verbracht wurden. In einer Stuttgarter anatomischen Fachzeitschrift von 1914 war in einem Aufsatz mit dem Titel: "Rassenanatomische Untersuchungen an 17 Hottentottenköpfen" zu lesen:
"Die Köpfe stammen von Gefangenen aus dem Aufstande in Deutsch-Südwest-Afrika im Jahre 1904, die auf der Haifischinsel interniert und dort an Krankheiten, meist Skorbut gestorben waren."
Aus dem Unikeller riecht´s muffig - Genitalien mit Hottentottenschürze
Während der Feier nun erhob sich der Großneffe des Toten und forderte, dass die Deutschen den Schädel von Häuptling Cornelius Fredericks zurückgeben sollten, also den seines Vorfahren.
Somit wurde die Geschichte erstmals publik. Der schockierte Botschafter versprach, der Sache nachzugehen und tat - nichts.
Als Fredericks ohne Antwort blieb, drohte er mit der Durchführung eines tausend Kilometer langen Fußmarsches von der Haifischinsel bis zur Deutschen Botschaft nach Windhuk, was dazu führte, dass sich nun auch die namibische Regierung diese Forderung zu eigen machte.
Folge: Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel versprach, die Schädel zurückgeben zu wollen.
Problem: Die genaue Zuordnung ist schwierig bis unmöglich, weil Fliegerbomben Sammlung und Dokumentation kräftig durcheinandergewirbelt und teils zerstört hatten.
Und es geht ja nicht darum, irgendwelche Schädel zurückzugeben, sondern in diesem Fall eben die der Nama bzw. Herero, insbesondere den von Fredericks.
Schädelsammlung der Freiburger Uni
Wo stecken die Gebeine?
Ein Großteil liegt in der Freiburger Universität, eine Sammlung von allein 1600 Schädeln, die ihr heute Pein bereiten.
Der Ursprung der illustren Sammlung geht auf das Jahr 1810 zurück, als ein Afrikaner in Freiburg an Tuberkulose starb und sein Totenkopf mit sogenannten Chinesenschädeln den Stock der späteren Sammlung bildete.
So richtig begründet wurde die Schädelsammlung dann um ca. 1850 von dem Anatom und Pathologen Alexander Ecker, fortgeführt von Eugen Fischer (1874-1967), im Dritten Reich ein berüchtigter deutscher "Rassehygieniker" und verantwortlich für die Sammlung von 1900 bis 1927. Er ließ sich z.B. zahlreiche Schädel und Weichteile aus den deutschen Kolonien schicken, darunter drei konservierte Köpfe von gerade Hingerichteten aus der deutschen Südsee.
Die meisten Gebeine in Freiburg sind aber solche von Herero und Nama aus Deutsch-Südwestafrika, denn durch den Krieg war man gut versorgt.
Während des Kolonialkrieges 1904-1907 wurden Kisten mit Schädeln von der "Schutztruppe" nach Deutschland gesandt, wo sie zu wissenschaftlichen Messungen verwandt werden sollten.
"Die Schädel, die von Herero-Frauen mittels Glasscherben vom Fleisch befreit und versandfertig gemacht werden, stammen von gehängten oder gefallenen Hereros", vermeldete ein Offizier der deutschen Truppe 1907.
Aus der Korrespondenz mit der Kolonialverwaltung:
"Dr. Eugen Fischer hat um Übersendung von Leichenteilen (Penis und Ohren) von hingerichteten oder verstorbenen Buschmännern gebeten". ...
"Daß bei Gelegenheit der Entnahme dieser Teil auch andere hochwillkommen und wertvoll wären, bedarf keines Wortes, ich nenne Kehlkopf, Augäpfel, Blinddarm mit Wurmfortsatz, Genitalien, besonders auch äußere, wegen der sogenannten Hottentottenschürze, Gehirn, Hand, Fuß etc." ...
"Die Präparate würden möglichst bald nach dem Tode einzulegen sein."