Eine Auszeit der besonderen Art
Vor dem Studium arbeiten ein Jahr in sozialen Einrichtungen im Ausland
Sie haben vor einigen Wochen Abitur gemacht und sie wollen studieren. Hanna Lindenfelser ist sicher, dass sie ein Studium im sozialen Bereich beginnen wird, ihr Bruder Frieder sieht seine berufliche Zukunft im weiten Feld der Technik, während Lukas Hach da noch völlig offen ist.
Gemeinsam ist den drei Seelbachern seit längerem, dass sie vor Beginn des Studiums eine Auszeit nehmen wollen. Nicht um durch die Welt zu tingeln, sondern um im Ausland in sozialen Einrichtungen ein Jahr zu arbeiten: Hanna in einem Tageszentrum mit Schule für geistig Behinderte in Tschechien, Frieder in einem Altenheim in Rumänien und Lukas in einem Armenviertel in Marseille.
Es gibt verschiedene Organisationen in Deutschland, die Plätze im sozialen Bereich im Ausland anbieten. Bei verschiedenen Einrichtungen haben sich die drei auch beworben. Sie mussten Fragebogen ausfüllen, wurden schließlich zu Seminaren eingeladen, ehe sie für den Dienst im Ausland angenommen wurden. Die “Aktion Sühnezeichen Friedensdienste” , die in Europa, Israel und den USA 180 Plätze hat, hat Hanna nach dem Auswahlverfahren den Platz in Tschechien vorgeschlagen. Frieder und Lukas haben ihre Stellen über den Freiwilligen Ökumenischen Friedensdienst im Ausland der Evangelischen Landeskirche in Baden gefunden, die 25 Plätze vergibt. Ihr “anderer Dienst im Ausland” wird als Ersatz für den Zivildienst anerkannt. Er dauert zwar zwei Monate länger als der Zivildienst und sie bekommen auch kein Geld vom Staat, aber die Erfahrungen, die sie in diesem Jahr zu machen hoffen, werden das ihrer Meinung nach mehr als ausgleichen.
Apropos Geld: Alle drei erhalten für ihre Arbeit ein Taschengeld, Fahrten Unterkunft und Verpflegung sind frei. Doch zu den Kosten müssen sie einen Teil selbst beisteuern, indem sie Unterstützerkreise aufbauten, die mit einem monatlichen Betrag das Geld aufbringen, bei der Aktion Sühnezeichen sind das 150 Euro im Monat, bei der Evangelischen Landeskirche 250 Euro.
Sobeslav liegt in Südböhmen, etwa 100 Kilometer von Prag entfernt und hat 7000 Einwohner. Hannas Einsatzzentrum wird eine integrierte Schule mit Tageszentrum für geistig behinderte Menschen sein, zu dem auch Werkstätten gehören. Mehr weiß sie nicht über ihren Einsatzort, mehr konnte sie auch nicht von der Aktion Sühnezeichen erfahren. “Es ist alles völlig offen. Ich bin die erste Freiwillige, die für ein ganzes Jahr dorthin geht. Das wird also eine spannende Sache für alle Seiten” , sagt sie. Sie weiß lediglich, dass sie dort eine Unterkunft bekommt, ob ein Zimmer oder eine kleine Wohnung allerdings nicht. Ebenso wenig hat sie einen Plan, wo sie eingesetzt wird, ob in der Schule oder in der Freizeitgestaltung für die Behinderten oder in beidem.
Auf ihren Einsatz hat sich Hanna mit einem Praktikum in der Georg-Wimmer-Schule in Lahr vorbereitet, mit einer Aupair aus Tschechien hat sie Tschechisch gelernt und ist sich von daher im Klaren, dass die Sprache in der ersten Zeit die größte Schwierigkeit sein wird. Am 30. August geht es nach Berlin zu einem zweiwöchigen Vorbereitungsseminar und nach Prag zu einem Intensiv-Sprachkurs, ehe Hanna am 19. September ihre Arbeit in Sobeslav in Südböhmen aufnimmt.