Camphill Village

Freiwilligendienst in Südafrika

Wie junge Freiwillige im Camphill Village leben

Erfahrungsbericht aus Afrika

Von Karola Jolles, Philipp Stulz, Tobias Gade

Wir haben im Zeitraum von Juli 2004 bis Juli 2005 im Camphill Village Alpha bei Kapstadt gelebt und gearbeitet. Im Village leben ca. 150 Menschen, davon ca. 80 Behinderte in 10 Häusern mit Betreuung und in zwei Häusern eigenständig.
Auf dem ziemlich großen Gelände gibt es eine Farm mit Milch- und Schlachtvieh, Hühnern, Schweinen und Gänsen. Die Milch wird in der eigenen Molkerei zu Käse und Joghurt u.ä. weiterverarbeitet. Eine Bäckerei versorgt das ganze Dorf mit Brot und beliefert Gesundheitsläden in und um Kapstadt mit Spezialitäten. Der Kosmetikworkshop stellt aller Art von hautverträglichen Artikeln der Körperpflege her, die ebenfalls auch nach außen verkauft werden. Ein Gemüsegarten liefert organisches Gemüse, außerdem betreibt der Garten eine Baumschule mit Spezialisierung auf einheimische Pflanzen. Viele der Behinderten arbeiten im Handarbeitsworkshop und stellen Strick-, Web- und Häkelarbeiten oder Körbe her. Gegessen wird in den einzelnen Häusern, zu geregelten Zeiten.

Die Tätigkeit der jungen Freiwilligen (Young Co-worker) umfaßt die Arbeit in einem der Workshops und den Pflegedienst in einem der Häuser.
Camphill Alpha hat im Moment zu wenig feste Mitarbeiter, so dass freie Stellen durch Young Co-worker (YCW) ersetzt werden müssen. Dadurch werden Arbeitszeiten, Druck und Erwartungshaltung erhöht.

Karola arbeitete in der Molkerei und musste mindestens jedes zweite Wochenende von morgens bis abends arbeiten, so dass sie durch die Verpflichtung im Workshop und dem Haus nur vier freie Wochenenden in einem Jahr hatte, obwohl jedem YCW sechs zustehen (was ohnehin schon wenig ist). Offiziell liegen die Arbeitszeiten (von Workshop zu Workshop leicht schwankend) ca. von 8 bis 12 und von 14:30 bis 17 Uhr, wobei nach der Arbeit je nach Haus noch weiteren Pflichten nachzukommen ist.

Das Dorf verlassen darf man nur am Wochenende, um abends auszugehen, oder einmal im Monat an einem freien Tag. Bei dieser geringen Anzahl freier Tage sollte man meinen, dass keine Probleme auftreten, wenn man frei nimmt, doch in den allermeisten Fällen darf man um einen freien Tag betteln und sich dumme Kommentare anhören.
Viel schwieriger war es noch mit Wochenenden, und wenn man es dann mal geschafft hatte, traten erhebliche Transportprobleme auf. Das Dorf befindet sich im sprichwörtlichen Nirgendwo ohne öffentliche Verkehrsanbindung mit drei Autos, die von YCW genutzt werden dürfen und z.T. drei Monate im Voraus ausgebucht sind. Ohne Führerschein ist man aufgeschmissen und auf die Hilfe anderer angewiesen.

Die Atmosphäre im Dorf und vor allem in einigen der Häuser, wo man ja die meiste Zeit verbringt, ist teilweise unerträglich. Viele der festen Mitarbeiter kamen ins Dorf, nachdem sie in einer persönlichen Krise steckten, und haben psychische Probleme, wie z.B. manische Depressionen, Minderwertigkeitskomplexe und Aggressionsprobleme. Für uns stellt sich die Frage, ob sie in solch einer Situation überhaupt in der Lage sind, körperlich und geistig Behinderte zu führen. Die Mitarbeiter, bis auf zwei, haben weder eine anthroposophische noch pflegerische Ausbildung. Ein Interesse darüber hinaus ist ebenfalls kaum vorhanden.

Camphill wirbt auf der Homepage (http://www.camphillwestcoast.org.za/) für sich mit:
„Most Camphills are involved in farming and gardening, and make use of BIODYNAMIC methods, which have been developed out of a course given by Rudolf Steiner in the 1920´s.
Camphill Village is no exception to this. More than 30 years of the Biodynamic approach has been practised primarily in dairy farming.
The Permaculture approach has also been used in a more general application to living on the land“.
Doch gerade im Garten, wo die Biodynamik seine Entfaltung finden würde, hatte man seit Jahren keinen Kompost gemacht und keine Präparate benutzt, noch Ahnung davon. Philipp und ich arbeiteten im Garten und haben dort über Biodynamik nichts gelernt.
Methoden wie den Mondkalender, der ja auch essentieller Bestandteil der Biodynamik ist, wurden schlechtgeredet und passten nicht in das pragmatische Bild des Gartenleiters.

Wir kamen nach Camphill auch angeregt durch die Anpreisung der gesunden Lebensmittel, die dort angebaut würden, doch in den Häusern werden diese Erzeugnisse kaum verwendet. Die Lebensmittel für die Hauptnahrungen werden überwiegend im Supermarkt gekauft.
Dies liegt natürlich auch daran, dass der Garten viel zu klein ist, um so viele Menschen zu versorgen, doch vor allem ist die Auswahl sehr begrenzt. Desweiteren müssen die Häuser die Erzeugnisse den Workshops abkaufen, da diese im Supermarkt günstiger sind, vergammelt der Salat z.T. auf den Feldern.
Bei vielen Mitarbeitern fehlt es auch an Interesse an einer gesunden Ernährung. Sowohl die meisten festen Mitarbeiter also auch die meisten Betreuten leiden deshalb an Übergewicht.

Das Jahr hat uns auch durch die Probleme sehr viel weitergebracht, so dass wir unsere Entscheidung keinesfalls bereuen. Wir verfassen diesen Text, um zukünftige YCW davor zu bewahren, mit falschen Erwartungen dorthin zu gehen. Als YCW hat man kaum Möglichkeiten, sich gegen viele Ungerechtigkeiten oder Missstände zu wehren. Wir empfinden heute, dass uns das Jahr soviel gebracht hat, weil wir drei uns gegenseitig hatten und Probleme diskutieren konnten. Vielleicht hätte man sonst auch über einen Abbruch nachgedacht.

Camphill:
„The aim of camphill village, west coast is to provide care and employment for adults with physical and intellectual disability. We aim to create work and home environments which are mutually therapeutic and culturally and spiritually fulfilling to all.
In our work we strive to produce and provide products and services of quality that have a healing impact on the environment and the broader community. We are open to regular evaluation and being accountable in all aspects of life.“
(http://www.camphillwestcoast.org.za/)

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