Lehrerbewertung online
Mobbing oder freie Meinungsäußerung?
Luft machen im Internet
Der Streit über Lehrerbewertung im Internet tobt weiter. Dabei geriet besonders die Seite "spickmich" ins Blickfeld der Kritiker. Drei Studenten riefen die Seite vor einigen ins Leben und verzeichnen mittlerweile eine Million Nutzer. So haben Schüler u.a. Gelegenheit, ihre Meinung über ihre Lehrer loszuwerden. In mehreren Kategorien vergeben sie Noten von eins bis sechs und können auch Zitate aus dem Unterricht veröffentlichen, wie man sie aus Abizeitungen kennt. Beleidigende, verzerrende Kritik wird ebenso wenig veröffentlicht wie stark von den bisherigen abweichende Noten.
Zur Anmeldung genügt die Angabe von Name, Mailadresse, Stufe und Schule, woraufhin jeder Teilnehmer eine eigene Seite bekommt. Neben der Lehrerbewertung bieten sich auch Online-Gespräche zum Zeitvertreib an. Themen sind dabei übrigens nicht nur Schule, sondern auch alles, über was Jugendliche sonst so quasseln: Musik, Filme, Sex …
Natürlich stemmen sich hauptsächlich Lehrer dem Trend entgegen. Es erfreut niemanden, im Internet eine miserable Benotung der eigenen Person zu lesen. Von Verunglimpfung, Mobbing und öffentlichen Beschimpfungen ist die Rede. Hauptproblem für Lehrer ist die Anonymität, durch die ihr Beleidiger quasi jeder Verfolgung entgeht. Dies dient jedoch auch zum Schutz der Jugendlichen, um eine objektive, angstlose Beurteilung zu ermöglichen.
Schon manch ein Lehrer zog gegen die Beurteilungen vor Gericht. So stritt u.a. eine Lehrerin mit den spickmich-Betreibern, die im Fach Deutsch die Note 4,3 bekommen hatte. Zwei Jahre wanderte der Fall durch alle Instanzen, bis der Bundesgerichtshof ihre Klage abwies. Die Meinungsfreiheit der Schüler sei hier höher zu bewerten, zumal die Schüler nicht über das Privatleben der Lehrerin sprachen sondern nur über ihre Arbeit. Allerdings sei dieses Urteil nicht auf andere Homepages zu übertragen; bei Klagen zu anderen Seiten müssten diese geprüft werden.
Im Grunde bringen Online-Lehrerbewertungen die Hilflosigkeit von Schülern zum Ausdruck. Versteht ein Lehrer sich nicht mit ihnen, so kann er dies in die Note einfließen lassen - was natürlich nicht sein sollte, aber durchaus gang und gäbe ist. Schüler dagegen haben keinerlei Handhabe, um Lehrer für mögliche Fehler und Ungerechtigkeiten zur Rechenschaft zu ziehen. Haben sie es nicht verdient, sich wenigstens anonym im Internet ein wenig Luft zu machen?
Deshalb gönne man Schülern die Gelegenheit, zudem die durchschnittliche Spickmich-Note von 2,7 auf eine ausgewogene Beurteilung hinweist. Sicher finden sich unter den Schülern schwarze Schafe, doch müssen sich Schüler nicht auch mit schwarzen Schafen unter den Lehrern arrangieren?
Schüler aus Schulen mit Rückmeldungs-Kultur melden sich übrigens kaum an, was die hohe Bedeutung von Schüler-Rückmeldungen beweist. Hier liegt es an unserer Gesellschaft, einen offenen Dialog zwischen Schülern und Lehrern zu ermöglichen. Ob derartige Homepages allerdings der richtige Weg dazu sind, darf bezweifelt werden.
Man frage sich nur mal selbst: Würde ich eine solche Bemerkung über mich gern im Internet lesen, selbst wenn ich sie verdient hätte? Schließlich ist es auch für Schüler quälend, böse Worte über sich dort zu lesen und sie nicht löschen zu können.
Man sollte sich überlegen, ob es den Seitenbetreibern tatsächlich darum geht, Platz zu konstruktiver Kritik zu geben, oder ob ihnen nicht mehr an den Werbekunden liegt, die sie durch ihre hohen Besucherzahlen anlocken.
Als Alternative seien Fragebögen an den Schulen vorgeschlagen, die natürlich anonym ausgefüllt werden. Damit hätten Lehrer die Chance, Kritik zu erfahren, ohne dass die halbe Welt über ihre Fehler Bescheid weiß.
Ansonsten: Falls einem wirklich ein böses Exemplar unterkommt, so gibt´s eine wirkungsvolle Waffe, die nur der Ge- und Betroffene genießen kann und die zudem noch ökologisch völlig korrekt und unbedenktlich ist, die BioRache.