Freiwilligendienst in Polen
Polnische Begegnungen
Bericht eines Friedensdienstleistenden
Als ich vor vier Jahren zum ersten Mal nach Polen kam, hatte ich keine Ahnung, worauf ich mich eingelassen hatte, wirklich bedeutende Erfahrungen kann man wohl auch kaum voraussehen. So fand ich mich in für mich völlig anderen Verhältnissen wieder, was mir zunächst nicht immer leicht fiel.
Eine schwere fremde Sprache, eine andere Kultur, die, im Umbruch befindlich, oft schwer zu verstehen war, und schließlich die Wohn- und Arbeitssituation in Jelcz, wo alles noch ein bisschen „verrückter“ war, hatten mich in ein neues Dasein geworfen, forderten von mir in völlig neuem Maße Offenheit, Verständnisbereitschaft und Kraft, alles Alte neu zu sehen und zu überdenken.
Glücklicherweise war ich mit „Kolega“ Ralf zusammen, so dass wir unsere Erfahrungen und Fragen teilen konnten und uns gegenseitig einen Rückhalt bieten konnten. Es ist wirklich großartig, wie uns unsere gemeinsame Situation zusammenschweißte und uns zu Freunden machte.
So wie ich von der Schule kam, war ich erlebnishungrig, und es war ein herrliches Gefühl, ins Unbekannte einzutauchen, Kontakte zu knüpfen und zu spüren, in der „Fremde“ gut aufgehoben zu sein. Was mir in dieser Zeit an Begegnungen und Einladungen zuteil wurde, war wirklich ein Geschenk, und ich erfuhr so die polnischen Qualitäten am eigenen Leibe, wie es sich wohl nur schwer schildern ließe. Unter deutschen Verhältnissen kenne ich dazu einfach keinen vergleichbaren Begriff.
Die Arbeit im Projekt war nicht einfach; als Abiturienten waren wir eigentlich zu nichts zu gebrauchen, und unser lieber (!) Pfarrer und Chef brauchte lange, um von seinen Erwartungen und Vorstellungen etwas Abstand zu nehmen.
Eigentlich war unsere Aufgabe unklar: Als Handwerker, als Gleiche unter Gleichen konnten wir keine echte Hilfe sein, für thematische Arbeit gäbe es kein Forum, Aachen war weit, und Besuche aus Deutschland selten. Es war deutlich: wir waren als Pioniere weitgehend auf uns selbst gestellt und hielten uns mit Parkbänkebauen und Brennholzmachen über Wasser.
In diesem Dilemma war es wieder die Herzlichkeit und Wärme der Menschen, die uns Jelcz zu einem echten Zuhause werden ließen. Die Frauen in der Küche und die ukrainischen „Gastarbeiter“ schlossen uns in ihr Herz, wie es mir unvergessen bleiben wird. Mit Gitarre und Gesang versuchten wir, ein bisschen zu antworten, und ich glaube, dass diese Verbundenheit mit Jelcz zum Inbegriff unserer Zeit dort wurde, was bis nach Deutschland zu spüren war.
Alles beginnt im Kleinen, das Projekt Jelcz war ein Schritt in die richtige Richtung. Jede Begegnung hatte ihren Sinn, auch wenn er sich nicht deutlich zeigte. Schade nur, dass das Projekt nicht weiterläuft, denn derartige „Graswurzelprojekte“ zeichnen sich wohl durch besondere Unmittelbarkeit und Praxisnähe aus.
Die Aufgaben, die Friedensdienstleistende vorfinden, die Annäherungsprozesse, die durch sie mitgetragen werden, die Notwendigkeit derartiger Kooperation halte ich für derart fundamental, dass es zu wünschen bliebe, die Bundeswehr in eine „Friedensdienstarmee“ umzuwandeln: „Friedis“ (Friedensdienstleistende) könnte es in unserer heutigen Welt kaum zuviel geben. Mit den Ideen des Friedens und der Solidarität konfrontiert zu werden, war für mich eine Bewusstseinserweiterung, die es anstelle von Gewalt- und Pragmatismusmoral jungen Menschen zu vermitteln gilt. Ich bin froh, einer dieser „Truppe“ gewesen zu sein und will es auch nach meiner Dienstzeit immer bleiben.
Marius
Hier findet man Näheres zum Thema Freiwilligendienste weltweit und in Deutschland, aber auch in Polen, z.B. in Internationale Freiwilligendienste.