Antirassismus-Arbeit in den Niederlanden

Erfahrungsbericht aus Rotterdam

Internationaler Freiwilligendienst

Anti Racisme Informatie Centrum

"Büroarbeit ist genauso wichtig wie aktionsorientierte Arbeit ..."
Mein Projekt heißt ARiC: Anti Racisme Informatie Centrum. ARIC hat ein Informationszentrum mit über 11.000 Büchern und Broschüren, Lehr- und Projektmaterial für Unterricht und soziokulturelle Arbeit, Zeitschriften und Zeitungsartikeln, Studien und über 900 Videofilmen. Die Themen des Dokumentationszentrums sind breit: von theoretischem Material über Rassismus, Diskriminierung, Nationalismus über die Stellung von Migranten auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt bis zum Bild der Migranten in den Medien, Material über antirassistische Organisationen, rechtsextreme Parteien ...

Jeder kann hier Material suchen, kopieren oder ausleihen. Die meisten wenden sich jedoch telefonisch an AriC. Insgesamt die verschiedensten Leute: Schüler, die ein Referat halten müssen oder Lehrer, die antirassistischen Unterricht machen wollen, Stadtteilhäuser, die ein Projekt durchführen wollen und dabei Rat suchen, Journalisten, andere antirassistische Organisationen, Behörden ...
Bei ARiC arbeiten sechs bezahlte Kräfte, meistens drei "jongerenpooler", das ist eine Art ABM für Jugendliche und rund acht Freiwillige. Finanziert wird ARiC hauptsächlich von zwei Ministerien und in geringerem Umfang auch von der Gemeinde Rotterdam.

Als ich hier begann, wusste ich ungefähr, wo man einen Computer ausschaltet, Faxen war mir vom Namen her bekannt, mit Videorecordern war ich auch nicht allzu vertraut, und Telefonieren war nicht eben mein Hobby: der ideale Büromensch also. Die Einarbeitungszeit habe ich als sehr ermüdend in Erinnerung – nach dem Marathon des Vorbereitungsseminars gleich fünf Tage lang so viel Neues zu lernen, ständige Konzentration, um alles zu verstehen, immer eine fremde Sprache um mich herum und dann noch die Unsicherheit, wo ich wohnen würde. Also bin ich über Wochen hinweg gar nicht richtig angekommen.
Gewöhnt habe ich mich inzwischen an die recht familiäre Atmosphäre. Zu Beginn hatte ich die Einstellung, dass Arbeit eben Arbeit und Schnaps Schnaps sei. Für mich war es fremd, mit den Kollegen die beste Tapetenfarbe oder den jüngsten Clinch mit den Eltern zu erörtern. Mittlerweile empfinde ich die Anteilnahme als positiv.

Eingearbeitet wurde ich zunächst zum Bearbeiten von Informationsanfragen. Die "intake-kamer", der "Anfragenraum" ist mein Hauptarbeitsplatz. Hier werden Anfragen entgegengenommen und bearbeitet. Da es keine Standardpakete gibt, werden die Informationsmaterialien nach jeder Anfrage individuell zusammengestellt. Dabei arbeite ich mit einem Kollegen zusammen.
Interessant ist für mich, dass die Situation der antirassistischen Organisationen in den Niederlanden und in Deutschland unterschiedlich ist. Man kann in den Niederlanden von einer ausgeprägten Infrastruktur von Organisationen gegen Rassismus, Diskriminierung und für die multikulturelle Gesellschaft sprechen. Es gibt rund 40 Anti-Diskriminierungsbüros (ADBs), die Fälle von rassistischer Diskriminierung registrieren und behandeln. Manche werden von der Gemeinde unterstützt, manche arbeiten ehrenamtlich. ARiC entwickelte sich aus dem ersten Anti-Diskriminierungsbüro, das 1983 in Rotterdam gegründet wurde. Andere haben z.B. Rechtsextremismus zum Schwerpunkt wie die Anne-Frank-Stichting.
Was die Niederlande von Deutschland in bezug auf Antirassismus und multikulturelle Gesellschaft unterscheidet, ist neben der verflochteneren Infrastruktur, die relativ umfangreiche staatliche Unterstützung dieser Organisationen. Zudem wird hier das Faktum, dass die Niederlande multikulturell sind, von Regierungsseite nicht geleugnet. Sich hier einbürgern zu lassen oder zwei Nationalitäten zu haben, ist einfacher, unter anderem, weil hier viele Menschen aus den ehemaligen Kolonien leben.

Seit längerer Zeit bin ich zusätzlich für das Zusammenstellen von Informationsständen zuständig. Da wir nicht so viele Freiwillige haben, suche ich die anzunehmenden Anfragen aus und gehe oft selbst mit, zuletzt z.B. auf das Straßenfest im Stadtteil Vreewijk im Südteil von Rotterdam, der durch die meisten Wähler rechtsextremer Parteien "glänzt". Das Schöne an dieser Arbeit ist der direkte Kontakt mit Menschen.
Wenn ich jetzt, nach einem Jahr, an das Vorbereitungsseminar zurückdenke, so habe ich die einsatzfeldspezifischen Arbeitsgruppen am positivsten in Erinnerung, in denen wir uns damit auseinander setzten, was wir uns unter Büroarbeit vorstellten. Da ging es auch darum, dass Büroarbeit genauso wichtig sei wie aktionsgerichtete Arbeit.
Dies ist etwas, was man sehr schnell vergisst, und was auch nicht immer leicht zu glauben ist. Denn wenn man jemandem Informationen zusendet, dann sind die Ergebnisse für mich nicht immer sichtbar; ein feedback ist eher die Ausnahme. Es fällt manchmal nicht leicht, die Arbeit nicht als gewöhnlichen "alledaagse" Bürojob zu sehen.
Julia

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