Über die Hauptstadt der Region
Leben auf dem Land
Die Hauptstadt (tatsächlich wurde sie vor einigen Jahren aufgrund der Einwohnerzahl – ca. 20000 – zur Stadt ernannt; im täglichen Gebrauch spricht hier aber immer noch jeder vom „pueblo“ , dem Dorf) der Region im ostbolivianischen Tiefland wurde im 18. Jahrhundert ebenso wie die anderen Dörfer der Region von Jesuiten gegründet und mit Beteiligung der Guaraní- und Chiquito-Bevölkerung verwaltet. Grundpfeiler waren dabei Land- und Viehwirtschaft, darüber hinaus wurden viele der Indianer hervorragende Handwerker und bauten zum Bespiel wunderschöne Kirchen, die von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt wurden. Dem freundschaftlichen Verhältnis zwischen Jesuiten und Indianern wurde 1767 durch den Befehl der spanischen Krone zur Auflösung sämtlicher Dörfer ein gewaltsames Ende gesetzt. Viele Elemente der christlich-guaranischen Lebensweise sind jedoch bis heute sehr sichtbar erhalten geblieben.
Die Chiquitania ist zwar eine der ärmsten Regionen Boliviens, dennoch leidet im Gegensatz zu den Großstädten La Paz und Santa Cruz hier kaum jemand an Hunger. Die Menschen leben von den Früchten, Knollen und sonstigen Erzeugnissen aus den winzigen Gärtchen, die zu jedem Haus gehören. Viele Familien besitzen vielleicht noch eine Kuh oder einen Esel, einige Hühner oder ein Schwein, die sich frei zwischen Haus und Straße bewegen. Auf den Straßen muss man daher eher schon mal einem Esel mit zusammengebundenen Vorderbeinen als einem Auto ausweichen. Die Häuser sind aus Lehm und Palmenzweigen, seltener aus Steinen gefertigt und bestehen zumeist aus einer Küche und einem Schlafraum. Der Boden ist aus gestampften Lehm, die Einrichtung besteht aus einem großen Bett, einigen Stühlen, einem Tisch und den wichtigsten Kochutensilien. Zusammengeschusterte Bretterzäune trennen die Grundstücke voneinander; fließendes Wasser und Strom besitzen nur wenige Häuser und dann nur in unregelmäßigen Abständen, da der einzige Stromgenerator des Dorfes nicht immer funktioniert.
Diese Beschreibung verallgemeinert die Zustände natürlich etwas, da es in beide Richtungen Extreme gibt und man sowohl schmucke Villen als auch wahre Elendshütten sieht. Die zweistöckigen Gebäude der Stadt kann man allerdings an den Fingern abzählen. Die Straßen sind, bis auf die zentrale Plaza und einige Nebenstraßen, nicht befestigt und bestehen aus roter, festgestampfter Erde, die sich bei jedem Regenguss in eine riesige Schlammlache verwandelt. Abschüssige Straßen werden bei Regenfällen zu reißenden Flüssen, die aber ebenso schnell wieder verschwinden und die Luft in eine einzige Wasserdampfglocke verwandeln.
Typisch für den Baustiel der Region sind die zur Straße hin sehr weit überstehenden Dächer, die von den traditionellen, handgeschnitzten und oft wunderschön verzierten „horcones"“(Holzsäulen) gestützt werden.
Auf dem Markt und der Plaza der Stadt
Meine Lieblingsorte in der Stadt sind der „mercado“ (Markt) und die „plaza“ (der große Platz im Dorfzentrum).
Der Markt liegt etwas abseits vom Zentrum und erstreckt sich über mehrere ineinander verwinkelte Straßen, die überall mit winzig kleinen Marktständen übersät sind. Hier verkaufen die Menschen jene Produkte, die sie auf ihren Grundstücken produzieren: Einige nur wenige Obstsorten (Mangos, Ananas, Bananen), andere große Gemüsesortimente (Möhren, Yuka, Kartoffeln, Mais, Bohnen), wiederum andere lebendige Hühner, direkt daneben wird frisches, hausgemachtes Brot in riesigen Körben angeboten. Dazwischen fahren Eis- und Kitschverkäufer ihre Wägelchen durch die Menge, Kinder und Hunde tummeln sich in den Pfützen des letzten Regenfalls, herrenlose Fahrräder und mietbare Motorräder zum Heimtragen des Einkaufs ergänzen das Panorama. Einige Geschäfte verkaufen aus Santa Cruz gelieferte Waren wie Shampoo, Zahnpasta, Pulverkaffee, Taschentücher usw.; wenn man lange genug sucht, findet man eigentlich fast alles, wenn auch mit geringer Auswahl. Die Marktfrauen sind in lange Röcke und weite, bunte Blusen und Kittel gekleidet, die multifunktional als Portemonnaie, Wischlappen und Babytrage verwendet werden .... es herrscht ein ständiges Kommen und Gehen, es wird gehandelt, getratscht, Neuigkeiten werden ausgetauscht. Ab fünf Uhr morgens bis spät in die Nacht kann man einkaufen, je nach dem wie lange das Warenangebot reicht. Abends bereiten die Frauen Eintöpfe und Fleischspieße zu, die für 1-3 Bolivianos pro Portion erstanden werden können und an hierzu aufgebauten Klapptischen (mitten auf der Straße) verzehrt werden. Viele Familien nutzen diese billige Variante, um einmal am Tag warm zu essen.
Gegen Abend verlagert sich das Leben in Richtung der quadratischen „plaza“, die mit ständig blühenden Bäumen wunderschön bepflanzt ist, und durch einige Denkmäler sowie breite, gepflasterte Spazierwege und geschnitzte Sitzbänke geziert wird. Die „plaza“ ist von zahlreichen Cafés umgeben, in denen man sich abends zu einer „charla“ (Plaudergespräch) und einem „refresco“ (Erfrischungsgetränk) trifft. Bisher bin ich abends noch keine einziges Mal dorthin gegangen, ohne irgendeinen Bekannten zu treffen.
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