Eingewöhnung an der Schule

Erste Tage als Aushilfslehrerin

Über die Schule

Das „colegio Rosenhammer“, mit 19 Klassenräumen inzwischen eines der größten Schulen der Stadt, nimmt überwiegend Schüler aus den ärmsten Familien auf. Pro Familie kostet die „inscripción“ (Einschreibung) fünf Bolivianos im Monat, aber selbst das können sich manche nicht leisten. Im Vergleich dazu bezahlen die Schülerinnen der Eliteschule zum Beispiel 50 Dollar (350 Bolivianos) monatlich. Als Schwester Elsa vor einigen Jahren Direktorin der Schule wurde, war das Niveau von Schülern und Lehrern und ebenso der Zustand der Gebäude absolut miserabel. Inzwischen konnten mit Unterstützung aus Deutschland und der Kirche, durch den Verkauf von Schnitzarbeiten der Schüler sowie großen Einsatz der Eltern neue Klassenräume, eine Bibliothek, einige Toiletten und Duschen gebaut werden, so dass der Unterricht nicht mehr draußen stattfinden muss und eine gewisse sanitäre Grundversorgung gewährleistet ist. Dennoch zeugt zum Beispiel die Hütte des „casero“ (Hausmeister), die bald renoviert werden soll, vom ehemaligen Standardzustand des Schulgebäudes: Eine Steinhütte mit scheibenlosen Fensterlöchern und einem einzelnen Raum für die zwölfköpfige Familie, eine kleine Veranda mit einer Feuerstelle als Kochgelegenheit, hinter dem Haus ein riesiger Abfallberg, der vor Einrichtung des benachbarten Toilettenhäuschens und Aufstellen von Abfallkörben sowohl als Mülltonne und stilles Örtchen gedient hat. Die Familie darf kostenlos auf dem Schulgelände leben, erhält allerdings dafür keinen Lohn. Der Vater kann aufgrund eines Unfalls nicht arbeiten, und so leben sie von Mitbringseln der Lehrer und den Einkünften kleiner Gelegenheitsarbeiten. Den siebenjährigen Sohn der Familie unterrichte ich in „Lectoescritura“ (Schreiben und Lesen); er ist sehr lebendig und lieb, aber sowohl geistig als auch körperlich auf dem Niveau eines Drei- bis Vierjährigen. Die Menschen hier müssen zwar dank der ständig früchtetragenden Vegetation nicht hungern, dennoch leiden viele aufgrund der einseitigen Ernährung an Mangelerscheinungen. Die damit verbundenen geistigen und körperlichen Rückstande sind im „colegio“ leider bei recht vielen Kindern anzutreffen. Um dieser Situation etwas entgegenzuwirken, wird mit Hilfe von Spenden für die Unter- und Mittelstufe ein Schulfrühstück finanziert, so dass die Kinder mindestens ein Mal am Tag eine vollwertige Mahlzeit erhalten. Beim Austragen dieses Frühstücks habe ich in der letzten Schulwoche mithelfen können: Einige Kinder stürzen sich völlig ausgehungert auf das ausgeteilte Essen (Fleischsuppen, Milchreis mit gekochten Bananen, „empanadas“ = gefüllte Teigtaschen).

Meine Tätigkeiten haben sich in den letzten beiden Schulwochen auf das Kennenlernen der ersten bis achten Klasse einschließlich Kindergarten beschränkt. Da die Lehrer die üblichen Jahresabschlussversammlungen hatten, konnte ich mit fast jeder Klasse ein paar Stunden als Vertretungslehrerin für Englisch, Informatik und Spanisch verbringen und meine ersten Erfahrungen im Unterrichten sammeln. In den meisten Kursen fanden es die Kinder zunächst unglaublich spannend, mich nach ihren Namen auf Deutsch zu fragen, Bilder vom Schlittenfahren während meines Aufenthalts in Montana/USA anzuschauen, mir unendlich viele Fragen über Schnee zu stellen und die Bewegungen zu dem Lied „Hab´ eine Tante aus Marokko“ zu lernen. Da ich jedoch immer sehr spontan in die einzelnen Klassen geschickt wurde, konnte ich mich nur selten konkret vorbereiten und stand bald vor der Schwierigkeit, zwischen 30 und 40 Schüler ganze zwei Schulstunden zu beschäftigen. Die Fünfer weigerten sich zum Beispiel, irgendetwas in Englisch zu lernen, was sie nicht vorher mit ihrem Englischlehrer, dem ehemaligen Freiwilligen Sebastian, durchgenommen hatten. Die Sechser veranstalteten Kreideschlachten, und die Siebener hielten es erst gar nicht für nötig, den Klassenraum zu betreten. Andere Schüler wiederum waren von meinen tölpelhaften Erstversuchen so begeistert, dass sie mir Süßigkeiten und Geschenke mitgebracht haben, und mich gar nicht nach Hause lassen wollten. Diese völlig normalen Erstlingserlebnisse haben mich natürlich etwas ins Grübeln gebracht, wie wohl der Spagat zwischen Lehrerautorität einerseits und dem freundlichem, offenem Verhalten andererseits zu meistern sei. Immer wieder kamen mir Erinnerungen an meine eigene Schulzeit, meine ehemaligen Lehrer und deren Unterrichtsstrategien. So haben mir die Erlebnisse der ersten zwei Wochen viele Anstöße gegeben, um meinen Unterricht im Rahmen der „vacaciones útiles“ (Aktivferien – Lernangebot während der Ferien, die bis Ende Januar dauern) zu verbessern. Darüber möchte ich jedoch später berichten.

Insgesamt habe ich die vielseitigen Eindrücke der ersten Wochen als sehr positiv und vor allem absolut spannend empfunden. Nach und nach erhalte ich Einblick in eine für mich sehr fremde und interessante Kultur, und lerne sowohl die erfrischende Herzlichkeit und Gelassenheit der Menschen hier kennen, die in Europa so oft fehlt, bekomme aber ebenso einen Eindruck von der materiellen Armut, den fehlenden Infrastrukturen und der fehlenden Motivation und Mittel zur Verbesserung derselben.

Hier gibt´s Näheres zu Freiwilligendiensten.

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