Krankheit

Schattenseiten fehlender Infrastruktur

Schmerzvolle Krankheitsverläufe mangels medizinischer Versorgung

In den Tagen nach dem Festival bekam ich hohe Fieberschübe und konnte mich wegen der Schmerzen im Brustkorb kaum noch vom Bett bis zur Toilette schleppen. Im Krankenhaus vermutete man eine Lungenentzündung und verschrieb mir Penicillin – ob es letztlich eine Lungenentzündung war, habe ich nie herausgefunden. Jedenfalls lag ich fast zwei Wochen mit hohem Fieber im Bett, und als sich mein Zustand schon etwas zu verbessern schien, bedachte mich das Schicksal noch einmal mit besonderer Aufmerksamkeit: Eine Salmonelleninfektion ließ die so schmerzenden Gänge zur Toilette unerlässlich werden. Dann stellte sich noch heraus, dass die Penicillindosis viel zu hoch war und für konstante Übelkeit sowie einen allergischen Gesichtsauschlag sorgte – als die Dosis schließlich halbiert wurde, hatte ich das ganze Gesicht bereits mit schmerzenden Pusteln besetzt, die durch die Kälte aufplatzten und sich anschließend entzündeten. Mein Körper war zu diesem Zeitpunkt schon so geschwächt, dass er für das pilzgesättigte Klima ein gefundenes Fressen war: So holte ich mir zum klangvollen Abschluss meiner Krankheit noch ungenehm juckende Pilzinfektionen an allen nur möglichen Körperstellen. Wieder einmal war ich den Schwestern sehr dankbar, die sich in dieser Zeit wirklich gut um mich kümmerten.

Herausforderung: Englischunterricht für Professoren als Teil des sozialen Jahrs

In der Stadt hier befindet sich auch eine katholische Abenduniversität mit sechs Vorlesungssälen, die vor allem für die Ausbildung von örtlichen Schullehrkräften zuständig ist. Nach meiner Genesung machte Schwester Rosario, Direktorin dieser Universität, mir den Vorschlag, einen einmonatigen Englischkurs für die Professoren der Uni zu geben. Diese besitzen trotz ihrer fachlichen Qualifikation häufig nur dürftige Englischkenntnisse, die sie aber bei ihrer beruflichen Tätigkeit in zunehmendem Maße brauchen. Ich willigte ein, Englischunterricht zu geben, woraufhin wir ein Lehrbuch mit zugehöriger Hörkassette vervielfältigten, und vier Mal pro Woche zweistündige Unterrichtzeiten ansetzten. Tatsächlich schrieben sich trotz der Materialkostenpauschale von 40 Bolivianos rund 25 Teilnehmer für den Kurs ein, und für mich begann die recht merkwürdige Erfahrung, Menschen zu unterrichten, die alle deutlich älter und im Unterrichten viel geübter waren als ich. Sie verhielten sich jedoch ausschließlich sehr wohlwollend mir gegenüber und kamen zum Teil hochmotiviert zum Unterricht. Bei den durchgeführten Zwischen – und Endexamen gab es einige sehr gute Ergebnisse und mich beeindruckte die Bereitschaft der Professoren, jede noch so kleine Wissensquelle (und sei es nur eine 19-jährige Freiwillige) anzunehmen und zu nutzen. Dank der hohen Motivation konnte ich im Vergleich zur Schule meine Unterrichtsinhalte sehr straffen und es gelang uns, in einem Monat das Lehrbuch komplett durchzuarbeiten.

Über meinen gesamten Aufenthalt hinweg fragten viele von meinen Verwandten und Freunden zuhause immer wieder an, wie es denn um die politische Situation im Land stehe. Ich muss ehrlich gesagt zugeben, dass ich von den teilweise sehr heftigen Ausschreitungen im Westen des Landes in Form von kilometerlangen Straßenblockaden und emotionsgeladenen Protestmärschen allenfalls über die Nachrichten etwas mitbekommen habe. Zwar machte sich auch dort Unmut über die bolivianische Regierung breit, der man eine maximale Amtszeit bis höchstens März voraussagte; jedoch kam es nie zu irgendwelchen Ausschreitungen. In den Monaten Mai und Juni wurde das gesamte Land durch eine Protestwelle der Beamten lahmgelegt, die höhere Löhne einforderten. Auch hier blieben mehrere staatliche Schulen wochenlang geschlossen und es wurden einige Demonstrationen ausgeführt. Die im Fernsehen gezeigten Bilder von radikalen Hungerstreiks im Westen des Landes ließen zwar auch hier eine Welle der Empörung gegen die Regierung entstehen, zu entsprechenden Nachahmungsaktionen kam es aber nie. Die Regierung ist übrigens immer noch an der Macht und hatte für Mitte Juli ein Volksreferendum angesetzt, um das Volk zur nationalen Erdgaspolitik zu befragen. Bisher werden die immensen Erdgasvorkommen Boliviens fast ausschließlich von ausländischen Firmen genutzt, und nur ein winziger Teil der Gewinne kommt dem Land zu Gute. Die Regierung möchte nun durchsetzen, dass zumindest 50% der Gewinne den Bolivianern zufließen, und das Erdgas außerdem auf kürzestem Wege durch Chile exportiert wird. Beide Maßnahmen waren im bolivianischen Volk aus verschiedenen Gründen nicht besonders populär. Ironischerweise konnten viele Bewohner der Chiquitania gar nicht an der Volksabstimmung teilnehmen, da sie die geforderten 70 US-Dollar zur ordentlichen Registrierung als bolivianische Bürger nicht aufbringen können und ihnen damit die offizielle Teilnahme am politischen Geschehen untersagt bleibt. Eine Informationsveranstaltung zum Volksentscheid gestaltete sich zur wahren Lachnummer, da der Regierungsgesandte von dem anstehenden Referendum weniger zu wissen schien als die Fragesteller. Dennoch entschied sich die Mehrheit der Bolivianer für die Maßnahmen; ob das gebeutelte Bolivien diese neuen Beschlüsse gegenüber den Interessen der internationalen Firmen wird durchsetzten können, bleibt abzuwarten.

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