Miese Hotelunterkunft

Vier Wochen im Hotel "CHAOS"

Wieder auf der Suche

Nachdem ich bei Lee Abbey ausgezogen war, mußte ich mich um eine neue Unterkunft kümmern. Vedna, Eva, Cirami und ich wollten zuerst zusammenziehen. Leider wurde daraus nichts, denn Eva und Cirami konnten sich nicht entscheiden, ob sie nun ausziehen wollten oder nicht. Nach längerem hin und her hat Cirami sich entschlossen zu bleiben und Eva hat sich der Entscheidung angeschlossen. Vedna wollte, wie ich, immer noch ausziehen, aber sie hat in der Nähe ihres Colleges ein billiges Zimmer gefunden.

Mir blieb nichts anderes übrig, als mir alleine etwas zu suchen. Ich war über Weihnachten und Neujahr in Deutschland. Es war nicht möglich vor meinem Abflug im Dezember für Anfang Januar etwas zu mieten oder buchen. Überall wurde mir gesagt, das wäre frühstens zwei Wochen vor dem geplanten Einzug möglich. Es ist zwar möglich ein Hostel im voraus zu buchen, aber private Zimmer, Bedsits, Wohnungen oder auch ein Haus kann man nicht im voraus mieten. Das wurde mir von Privatleuten und auch von Agenturen bestätigt.

Die beste Lösung war, mir ein kleines billiges Hotel zu suchen und mich dort vorübergehend einzuquartieren, bis ich etwas Dauerhaftes gefunden hatte. Mir fiel spontan ein kleines Hotel ein, das ich mir mit Vedna und Cirami angesehen hatte, als wir noch alle zusammenziehen wollten, das Earls Court Garden Hotel. Die Zimmer dort sahen sauber und gemütlich aus, und es war das billigste Hotel in der Nähe. Der einzige Nachteil es gab keine Tische in den Zimmern. Später sollte sich rausstellen, daß dieses Hotel noch sehr viele andere Nachteile hatte, die man auf den ersten Blick nicht sehen konnte.

Die Preise waren ganz o.k., vorrausgesetzt man buchte ein Zimmer für mehrere Wochen (blieb man vier Wochen kostete ein Einzelzimmer 70 Pfund pro Woche, im Gegensatz zu einer Woche 90 Pfund, und weniger als eine Woche 15 Pfund pro Tag). Ich buchte ein Einzelzimmer für vier Wochen, um den günstigen Preis zu bekommen, in der Zwischenzeit hatte ich genug Zeit, mich nach einer dauerhaften Unterkunft umzusehen.

Ich bekam ein Zimmer im zweiten Stock, einen Fahrstuhl gab es nicht. Es war ein sehr kleines Hotel, mit schmalen Gängen. Mein Gepäck mußte ich selbst hochschleppen. In meinem Zimmer angekommen, gab es das erste kleine Problem. Die Gardine und die Gardinenstange lagen auf dem Bett, und die Stange konnte man nicht über dem Fenster anbringen. Ich habe es mehrmals erfolglos versucht. Ich habe dann die Gardine für die erste Nacht mit Tesafim angeklebt. Am nächsten Tag wurde sie provesorisch aufge-hängt.

Am ersten Morgen machte ich mich auf die Suche nach dem Frühstücks-raum, da das Frühstück im Preis mit inbegriffen war. Es war aber kein Raum zu finden, denn es gab gar keinen. An der Rezeption wurde mir gesagt, man müßte sich sein Frühstück selbst aus der Küche holen, und es mit in sein Zimmer nehmen und dort essen (auf dem Bett oder auf dem Fußboden, Tische gab es nicht). Ich ging also runter in den Keller und fand die winizige Küche.
Das Frühstück bestand aus weißem Brot (ungetoastet, der Strom für den Toaster hätte bestimmt zuviel Stromkosten verursacht), Butter, Orangenmarmelade und Kaffee. Al-ternativen für Gäste die diese angebotenen Köstlichkeiten nicht mochten, gab es nicht. Ich beschloß gleich nach dem ersten Frühstück, für den Rest meines Aufenthalts, auf das reichhaltige Frühstücksbuffet zu verzichten.

Das war aber noch lange nicht alles, die Probleme fingen erst an: Als nächstes mußte ich feststellen, daß keine der drei Steckdosen in meinem Zimmer funktionierte, und am Abend fiel die angebrachte Gardine samt Stange wieder runter. Ich ging zur Rezeption, wo mir nur mitgeteilt wurde, morgen würde sich jemand darum kümmern. Ich mußte wieder selber etwas konstruieren, weil die Laternen von der Straße hell durchs Fenster leuchteten. Mein Provsorium hielt auch nur bis zum nächsten Morgen. Als am Abend des selben Tages immer noch niemand die Gardine wieder aufgehängt hatte, begann ich zu bereuen, daß ich für vier Wochen gebucht und auch schon bezahlt hatte. Das gemütliche Hotel verwandelte sich langsam in ein Irrenhaus.

Hotelunterkunft: echtes Abenteuer

Ich war ziemlich sauer, als ich wieder zur Rezeption runterging. Da der Mann dort auch nicht wußte was zu tun war, bot er mir ein anderes Zimmer an. Das Zimmer lag im ersten Stock, es war etwas größer, da es eigentlich ein Dreibettzimmer sein sollte. Ich habe eingewilligt das Zimmer zu tauschen, wenn das dritte Bett, daß an der Wand stand, rausgenommen würde. Der Mann an der Rezeption sagte das geht in Ordnung, er würde für die Tagesschicht eine Nachricht hinterlassen. Zur Sicherheit sollte ich aber am Mor-gen noch mal selbst Bescheid sagen, damit es nicht wieder verschlampt würde, wie bei der Gardine. Das tat ich auch, aber das Bett war am Abend immer noch da. Es muß daran gelegen haben, das dieses Hotel nicht nur einen zweit- oder drittklassigen Service hatte, sie hatten gar keinen Service.

Mir war zu diesem Zeitpunkt schon fast alles egal, ich wollte nur noch meine Ruhe. Ich wollte deswegen auf keinen Fall jeden Tag zur Rezeption rennen. Dann blieb das verdammte Bett eben an der Wand stehen. Ich hatte keine Lust, mich in den verbleibenden drei Wochen ständig aufzuregen. Das war mir die Sache wirklich nicht wert.
Ich hatte dann sogar einige Tage Ruhe. Ich hatte zwar die Schnauze voll von dem idiotischen Hotel, aber wäre nichts weiter passiert, hätte ich die restlichen drei Wochen dort bestimmt einiger-maßen ausgehalten.

Doch da wurde nichts draus. Eines abends hörte ich plöztlich ein Plätschern. Im ersten Moment dachte ich es ist der undichte Wasserhahn. Bis ich feststellte, daß Wasser von der Zimmerdecke tropfte. Ungefähr an diesem Punkt erinnerte mich alles an eine Satiere, die ich mal gelesen hatte. Ich ging zum x-ten Mal zur Rezeption. Der junge Mann, der dort immer abends arbeitete, kam mit rauf und sah sich das Ganze selbst an und meinte dazu nur: "Das ist schon öfter passiert." Er ging wieder weg, und kam nach kurzer Zeit mit einem alten Bettuch wieder, das dort plaziert wurde wo es tropfte. Damit es nicht weiter durchsickert. Damit war die Sache für ihn erledigt. Ich mußte mich damit abfinden, daß jedesmal wenn jemand über meinem Zimmer duschte, Wasser von der Decke tropfte. Inzwischen erstaunte mich das aber auch nicht mehr.

All das war aber nicht mal das Schlimmste, die vergessenen Nachrichten haben mich richtig wütend gemacht. An der Rezeption war jeden Tag jemand anders, nur abends kam immer der Gleiche. Einmal saß jemand an der Rezeption, der nicht mal richtig Englisch sprach und verstand. Cirami rief an und wollte mich sprechen, der Typ hat zuerst gar nicht verstanden was sie wollte. Sie mußte ganz langsam sprechen und einige Male wiederholen was sie wollte. Irgendwann hat er es endlich verstanden. Am folgenden Tag war der Mann wieder für den Room Service zuständig. Room Service ist übertrieben, im Earls Court Garden Hotel bedeutet Room Service die Bettdecke kurz glat-tziehen, und den Müll abholen. Die Bettwäsche wurde in den vier Wochen die ich dort war nie gewechselt und staub gewischt wurde auch nie, von staubsaugen ganz zu schweigen. Ich bin kein Sauberkeitsfanatiker, aber neue Bettwäsche nach zwei Wochen, und ab und zu mal durchsaugen wäre nicht schlecht gewesen. Aber das Hotelmanagement interessierte sich nicht für solche Kleinigkeiten. Mich wunderte, daß sie überhaupt jemanden für diese Arbeit gefunden haben, denn als Room-Service-Mitarbeiter verdiente man im Earls Court Garden Hotel die erstaunliche Summe 1.50 Pfund pro Zimmer. Bei den ungefähr zehn Zimmern, konnte man da nicht mal genug für´s Abendessen verdienen.

Das Nachrichten, die für mich hinterlassen wurden vergessen wurden habe ich nur durch Zufall erfahren. Es war meine letzte Woche in diesem Irrenhaus. Ich habe mich schon gewundert, daß ich so lange nichts von Cirami gehört hatte. Sie wollte mich anru-fen, nachdem sie von einem Wochenend-Besuch bei ihren Verwandten zurück war. Als sie schließlich anrief, habe ich im Scherz zu ihr gesagt: "Du erinnerst Dich auch noch an mich?" Da erzählte sie mir, daß sie einige Tage zuvor schon mal angerufen hatte. Ich war nicht dagewesen und sie hatte eine Nachricht für mich hinterlassen. Ich fragte sofort an der Rezeption nach, und der gerade zuständige Rezeptionist fand einen Zettel mit der Nachricht. Ganz nebenbei erinnerte er sich, daß vergangenen Samstag schon mal jemand für mich angerufen hatte. Inzwischen war es ja auch erst Mittwoch.

Ich habe dem Rezeptionist erst mal meine Meinung gesagt, wenn er zu blöd war, eine Nachricht zu notieren sollte er sich einen anderen Job suchen. Für die Schlampigkeit und das mangelnde Interesse des Besitzers konnten die zahlreichen Rezeptionisten nichts, aber bei den Nachrichten konnten sie sich nicht rausreden.
Der Sohn des Besitzers, ein aufgeblasener Trottel, kam manchmal vorbei, um sich wichtig zu machen. Zuerst machte er einen ganz netten Eindruck, aber als er begann mich scheinheilig auszufragen und mich auch noch zum Essen einladen wollte, wurde ich mißtrauisch. Ein Typ mindestens zehn Jahre älter als ich, das mußte doch wirklich nicht sein. Er versuchte es immer wieder und schien nicht zu verstehen, daß mein nein endgültig war. Er fragte auch Cirami aus, wenn sie mich besuchte und wollte sie auch mitnehmen für einen Freund von ihm. Verwunderlich, daß der Schnösel überhaupt Freunde hatte. Leider wußte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, daß ihm bzw. seinem Vater das Hotel gehört. Das habe ich erst später erfahren. Sonst hätte er sich auf was gefaßt machen können.

Ich finde es ziemlich penetrant, als Hotelbesitzer die Gäste anzumachen. Aber das paßte genau zu den übrigen Vorgehensweisen in diesem sogenannten Hotel.
Das sie meine Nachrichten verschlampten, konnte ich ihnen nicht verzeihen. Das Schlimme daran war, daß ich mich um einen Job und eine neue Unterkunft bemühte, und es wartet doch kein Arbeitgeber oder Vermieter bis sich jemand bemüht zurückzu-rufen.

Ich habe auch inseriert wegen eines Zimmers. Als jemand auf die Anzeige anrief und ich nicht da war, schrieb das Genie das gerade an der Rezeption war die falsche Telefonnummer auf, und was der Anrufer genau gesagt hatte, wußte er leider auch nicht mehr. Das hatte er nicht richtig verstanden. Dieses Genie war übrigens ein Deutscher.

Welche anderen Nachrichten auf meine Bewerbungen in den Mauern dieses Irrenhauses verschwunden sind, habe ich nie erfahren.
Dem jungen Mann von der Nachtschicht der Rezeption war es egal, daß der Besitzer sich um nichts kümmert. Für ihn war es ein guter Weg leichtes Geld zu verdienen. Nebenbei konnte er die ganze Zeit für sein Studium lernen und nach dem Studium wollte er sowieso wieder in sein Heimatland zurück. Verstehen konnte er den Besitzer allerdings auch nicht. Er erzählte mir ein paar Mal von den sonderbaren Vorgehensweisen in dem "Hotel". Das Einzige was mich wundert, ist das immer noch Gäste dort absteigen. Wenn man nicht weiß, was einen dort erwartet, wie das bei mir der Fall war, kann man diesen Fehler machen. Aber es waren auch Leute zum zweiten Mal dort?!

Als ich fünf Tage vor Ablauf meiner vier Wochen im Earls Court Garden Hotel noch keine neue Bleibe hatte, wußte ich nur eins, ich schlafe lieber unter einer Brücke, aber dort bleibe ich nicht ...