Schöne Zeiten oder “those were the days”
Die Wege zerstreuen sich
Irgendwann, ich weiß auch gar nicht warum, ist unsere Clique ist langsam auseinander gefallen. Einige sind wieder abgereist, und die Singapur/Malaysia Leute waren auf einmal immer öfter nur unter sich, wir haben uns immer weniger getroffen. Es war nicht nur Yan, die anderen wollten uns wohl auch nicht mehr dabei haben. Zu meiner End of term performance von der Schule Ende November ist schon niemand mehr gekommen. Vedna hatte zwar jetzt ihre Prüfung hinter sich, aber sie war bei ihren Verwandten in Essex eingeladen (die Tante erwartete mal wieder einen Kontrollbesuch). Eva war von Schulfreunden ins Kino eingeladen und konnte nicht mehr absagen. Und Cirami, meine beste Freundin, traute sich nicht abends im Dunkeln alleine zu dem etwas abgelegenen Theater zu kommen. Zugegeben ich war zuerst ganz schön enttäuscht. Cirami hat eine Nachricht in Gedichtform an meine Tür geklebt, die als Entschuldigung gedacht war. Ich fand das toll, und deshalb habe ich es aufgehoben. Es reimt sich zwar nicht immer, aber meistens:
... Entschuldigung
Dear Sara, (here is a verse (worse?) of apology)
Please accept my appologies for not coming to watch you mime,
But don´t for one moment doubt that my thoughts weren´t with you all the time,
As I try to concentrate on the work I have to do,
My mind begins to wonder to the mime performance and to you,
It is never very easy to disappoint a friend,
Especially as I believe our friendship will never end,
But sometimes we have to make a choice in matters such as these,
As you know, things don´t work out as planned, so it seems,
I had no one to accompany me,
And although I´m not a babe (PG?)*
I´m still a little frightened even with,
my "Cat burgler´s" cap upon my head
To travel lonely tubes at night,
I´m not as brave as you,
And what is more I do not know
Judo, as you do!!!
I hope you understand
Luv - Cirami
*Es sind einige Insider in diesem Gedicht, wie PG. PG ist eine Altersfreigabe bei englischen Kinofilmen. Nedu hat Cirami PG getauft, weil er dachte das sie erst 15 ist als er sie zum ersten mal sah (dabei war sie damals 22). Sie fand es schrecklich, und er hat sie damit aufgezogen.
Die Cat burglar´s cap ist eine Wollmütze, die aussah wie die eines Einbrechers (Cat bur-glar).
Na jedenfalls haben Eva und Cirami sich am Morgen nach der letzten Aufführung noch mal zusammen entschuldigt, daß sie nicht gekommen sind. Das war wenigstens etwas. Wir sind dann alle drei zum Petticoat Lane Market gefahren. Es war fürchterlich kalt, aber wir sind trozdem zwei Stunden dort rumgelaufen, haben ein paar Kleinigkeiten gekauft, und waren dann zum Lunch wieder zurück.
Vedna und ich sind nach Weihnachten bei Lee Abbey ausgezogen, aber trotz allem haben Eva, Vedna, Cirami und ich uns noch oft getroffen. Mit der restlichen Clique haben wir nichts mehr unternommen. Zu diesem Zeitpunkt konnte man sich schon glücklich schätzen, wenn sie noch mit einem sprachen. Warum das wußten wir alle nicht. Einmal haben wir uns noch getroffen: zum chinesichen Neujahr am 9.2.94! (Das chinesische Neujahr ist immer Ende Januar oder Anfang Februar) Ich habe nur durch Zufall erfahren das Yan, Gloria & Co. etwas geplannt hatten, und weil ich Yan direkt darauf angesprochen habe, konnte sie nicht anderes als Cirami und mich auch zu fragen, ob wir mitkommen wollten. Joseph hatte in dem Lokal indem er arbeitete ein Essen arrangiert.
Joseph war eine seltsame Nummer, eine richtige Nevensäge. Als er aus Singapur ankam, konnte er noch nicht in sein Zimmer. Sweetlee, Cirami und ich waren auf dem Weg zur Oxford Street und er kam einfach mit. Die ganze Zeit dackelte er uns treu-doof hinterher. Als wir ihn einmal kurz abschütelten ging er fast verloren, er kannte sich noch nicht aus in London. Außer seiner penetranten, aufdringlichen Art störrte mich auch sein ungepflegtes Äußeres. Er lief rum, als würde er sich nie die Haare waschen, und wenn man ihm etwas anbot mußte man aufpassen, daß er nicht alles wegfraß. Ich habe ihn ab und zu gerne aus Spaß aufgezogen, obwohl ich den Bogen schon mal etwas überspannte. Das ich zum Beispiel alle zu meinem Geburtstag einlud, nur ihn nicht obwohl er auch dabei stand, war ganz schön gemein. Aber da aus der Geburtstagsfeier sowieso nichts wurde spielte es keine Rolle mehr. Als ich einen Tag von High Street Kensington nach Hause kam, folgte Joseph mir. Er muß schon mindestens zehn Minuten hinter mir hergelaufen sein, bevor ich ihn zufällig bemerkte. Als ich ihn fragte, warum er mich nicht angesprochen hat als er mich sah erwiderte er, er wolle mich nicht stören. Cirami und Vedna ist er auch öfter auf dem Weg zum College hinterhergetrottet. Das war eben Joseph. Mit der Zeit gewöhnte man sich an ihn.
Das chinesische Neujahr
Das chinesische Neujahrsessen war aber wirklich toll, ein Essen mit sechs Gängen, nur weil wir so eine große Gruppe waren (ca. 25 Leute) dauerte alles sehr lange. Gleich am Anfang fehlte noch jemand, er ist auf dem Weg von der U-Bahn Station zum Restaurant verloren gegangen. Bis er schließlich gefunden wurde und das Essen kam vergingen 45 Minuten, und dann waren zwischen jedem Gang 20 Minuten Pause. So gegen 11 Uhr kam plötzlich alles auf einmal, und man wußte nicht was man zuerst essen sollte.
Zwischen den einzelnen Gängen haben wir aus Langeweile Zitronenstücke oder Fleischreste auf der Warmhalteplatte gegrillt. Außer dem Essen gab es an diesem Tag des Chinese New Year keine Party und auch kein Feuerwerk. Dafür fand aber am Wochenende dannach eine Parade mit den chinesichen Drachen (oder Löwen) statt. Das war für mich das eigentliche Fest.
Wie auch schon vor meinem Auszug habe ich Cirami am häufigsten von allen gesehen. Eva hat meistens gelernt, sie hatte höchstens mal für eine oder zwei Stunden Zeit. Sie ist eine ausgezeichnete Studentin, und hat schon mehrere Stipendien von der schwedischen Regierung für ihre hervoragenden Leistungen bekommen.
Cirami und ich haben nicht mehr so viel unternommen, meistens saßen wir nur rum. Cirami hatte Probleme weil sie mit ihrem Lernpensum nicht zurecht kam, daß sie für ihre Prüfungen lernen mußte. Dazu kamen noch andere Sorgen mit einem Holländer den sie kennengelernt hatte. Ich war auch nicht besonders gut drauf. Zu der Zeit ich war so enttäuscht von der Schule, ich wollte auf keinen Fall nach Deutschland zurück und in meinem erlernten Beruf arbeiten schon gar nicht. Es gab Tage da haben wir uns gegenseitig depremiert, glaube ich. Ich wurschtelte mich so durch, und nach einer Weile ging es auch wieder aufwärts für mich, aber nicht für Cirami. Irgendwann wollte sie gar nichts mehr machen. Sie hatte zu nichts mehr richtig Lust, und machte sich nur noch Sorgen wegen ihrer Prüfungen, dabei waren es noch Monate bis dahin. Sie machte sich vollkommen verrückt, und ließ sich das auch nicht ausreden. An einem Tag habe ich sie noch überredet essen zu gehen, und wenn ich sie am nächsten Tag abhohlen wollte, hatte sie keine Lust mehr. Ich überredete sie schließlich Banana Fritters selbst zu machen. Das ist ein Dessert bei dem Bananen in einem Teig gebacken und heiß mit Eis serviert werden. Mein Lieblingsnachtisch. Nach dem Essen wollten wir uns im Fernsehen "Nacked Gun" ansehen. Eva hat uns beim Kochen geholfen, es war eine ganz schöne Pampe und sah überhaupt nicht aus wie im Restaurant. Es schmeckte aber eigentlich doch noch ganz gut, nur Cirami hatte vergessen das Eis ins Gefrierfach zu stellen. Sie war schrecklich durcheinander und hatte dann doch keine Lust mehr "Nacked Gun" zu sehen.
Eine Woche später hat sie sich ganz kurzfristig entschlossen, für ein paar Wochen zu ihren Eltern nach Kuwait zu fliegen. Der Ab-stand von London war für sie auch das Beste. Sie rief mich Samstagsmorgens an, und am Montag ist sie schon geflogen. Zu dem Zeitpunkt habe ich befürchtet, sie kommt überhaupt nicht mehr zurück.
Vor ihrer Abreise hat sich ganz unerwartet unsere alte Clique wieder gemeldet, sie wollten unbedingt etwas unternehmen bevor sie fliegt, nachdem sie sie drei Monate links liegen gelassen hatten. Da war Cirami nicht die Einzigste, Gloria brachte gerade mal ein "Hi" zustande wenn wir uns zufällig trafen, und Yan knallte Eva die Tür vor der Nase zu, wenn sie keine Lust zum Reden hatte. Nach all dem hatte ich keine Lust mit ihnen essen zu gehen wie sie es vorgeschlagen hatten. Cirami hatte aber schon zugesagt, und nur ihr zuliebe bin ich mitgegangen.
Das große Essen stellte sich als Take Away vom Chinesen hearus. Yan hat kaum ein Wort mit mir gesprochen, June hat mich völlig ignoriert und Gloria ist mit einem Freund sogar in ein anderes Restaurant gegangen. Die Einzige die sich normal verhalten hat, war Sweetlee. Wir holten das Essen aus einem Restaurant ein paar Straßen weiter, und aßen bei Lee Abbey im Speisesaal, richtig festlich aus der Plastiktüte. Während des ganzen Essens hat sich keiner mit Cirami oder mir unterhalten, nach dem Essen sind alle sehr schnell verschwunden, ohne sich von Cirami zu verabschieden oder ihr einen guten Flug zu wünschen. Ich fand das zum kotzen, und mir war mir auch klar, daß ich meine geplante Geburtstags-party vergessen konnte.
Im Oktober hatten wir Yan´s Geburtstag gefeiert, und Cirami und ich hatten uns sehr viel Mühe mit den Geschenken gemacht, darüber habe ich mich plötzlich ziemlich geärgert.
Eva´s Geburtstag wurde auch gefeiert, da konnte ich nicht dran teilnehmen. Leider, ich wäre gerne dabei gewesen.
Zu meinem Geburtstag waren meine guten Freunde alle nicht in London: Cirami war noch bei ihren Eltern, Eva war in den Ferien nach Hause geflogen und Vedna war spurlos verschwunden. Eines Tages wollte ich sie anrufen, aber es lief ein Tonband die Nummer existiert nicht mehr. Vedna hat mich einen Tag nach meinem Geburtstag angerufen um zu gratulieren, allerdings war sie da in Paris. Sie hat mir noch erzählt ihre Vermieterin zieht um und sie muß sich was Neues suchen. Sie wollte noch einige Tage in Paris bei ihren Verwandten bleiben und sich sobald sie wieder in London war, bei mir melden. Ich bin kurz darauf nach Deutschland zurückgekehrt, aber Vedna hat sich weder bei mir noch bei sonst jemandem gemeldet, sie war auch nicht im College. Wo sie war, weiß ich bis heute nicht. Sie hat sich erst wieder Weihnachten 94 bei mir gemeldet.
Mit Eva und Cirami habe ich noch Kontakt, wir haben vereinbart das wir uns jedes Jahr einmal treffen. Ich weiß nicht ob das klappt, aber ich hoffe es sehr, sie gehören auch heute noch zu meinen besten Freunden. Vedna auch, aber ich weiß sie ist sehr schreibfaul.