Tägliche Arbeit mit Obdachlosen
Illegale Einwanderer und Drogenabhängige
Sozialarbeit durch Ausflüge und Gespräche
Lieber zu Erfreulicherem, meiner Tätigkeit:
Ich arbeite in einer sogenannten „boutique solidarité", die sich um alle denkbaren Fälle von Obdachlosen und deren Obdachlosigkeit kümmert.
Alle denkbaren Fälle, da ich zu Anfang, wie wohl die meisten unter uns, ein gewisses Klischee oder Bilderbuchbild von dem typischen Obdachlosen im Kopf hatte, der sich durch einen übermäßigen Alkohol- und Nikotingenuß und minimalste Hygiene sowie Gesellschaftskonformität auszeichnet.
Dieses naive, realitätsferne Bild erhielt jedoch gleich zu Beginn heftigste Sprünge, bis es dann schnell in kleine Splitter zersprang, in denen sich alle Facetten des Obdachlosen im 21. Jahrhundert widerspiegelten: illegale Immigranten (hauptsächlich aus dem Maghreb), Globetrotter, psychisch Kranke, Abhängige, volljährige Waisen und zu guter Letzt arbeitsfaule Sozialleistungsprofiteure.
Dieser Klientel werden in Form eines täglichen „accueil du jour" von acht bis zwölf Uhr die notwendigsten Nahrungs- , Hygiene- und Resozialisierungsleistungen zur Verfügung gestellt. Es gibt Frühstück, einen Dusch- und Waschraum, die Möglichkeit, sich eine feste Adresse einzurichten, Post zu beziehen und die Sozialarbeiterinnen, die sich um Sozialleistungen, Krankenversicherungen und vieles mehr kümmern.
Meine „équipe" besteht aus neun Festangestellten – darunter drei Sozialarbeiterinnen und eine Psychologin – und vielen Freiwilligen jeden Alters, die unentgeltlich hier und da ein wenig mithelfen.
So stehe ich entweder im Waschraum, „überwache" die Einhaltung der Regeln – 10 Minuten pro Dusche, nur ein Handtuch, anschließendes Putzen der benutzten Dusche usw. – greife bei Missachtung notfalls möglichst rigoros ein, richte und verteile das Frühstück auf kleinen Tabletts, kümmere mich um die Post oder - und das ist meiner Meinung nach das eigentlich Essentielle - höre den Obdachlosen zu, rede, lache oder spiele mit ihnen.
Weiterer fester Bestandteil meiner Tätigkeit ist die sogenannte „maraude", bei welcher man abends zu zweit und mit Kaffee, Suppe und dicken Decken bewaffnet in die Straßen von Fréjus oder St.Raphael aufbricht, die Obdachlosen in ihren Bleiben aufsucht, mit ihnen zu plaudern versucht und sie ermutigt, zu „Les amis de Paola" zu kommen.
Hierbei entsteht eine weitaus persönlichere, engere Beziehung zu den Obdachlosen, da man ihnen nicht im morgendlichen Konkurrenzgedränge um Frühstück und Dusche bei Paola, sondern ganz individuell und ruhig begegnen kann.
So bin ich schon im Dunkel der Nacht namenrufend durch Büsche gerobbt, habe ungläubig Geheimplätze in Felsenhöhlen am Strand ausfindig gemacht oder war einfach nur erschreckt über die nackte Obdachlosigkeit all dieser Menschen, wobei mir keineswegs immer Dank für mein Engagement entgegengebracht wurde.
Ebenfalls tiefergehende Begegnungen spielten sich bei den gemeinsamen Aktivitäten ab:
Ob Katamaranausflug nach St. Tropez, Schwimmbadbesuch, Fußballspiel, Wanderungen, Weihnachts- und Silvesterfeier oder kleinere, von mir selbst alleine realisierte „ateliers" – Literaturcafé, deutsche Sprache, Musik mit den Arabern -, dies ist der Punkt, an dem all die manchmal vergeblich erscheinenden Mühen, aller Ärger über das Betragen unserer Klientel, den „accueillis", sich in neue Motivation verwandeln und man den Sinn seines Tun wieder deutlich erkennt und auch den ein oder anderen in sein Herz schließt.
R. Auer
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Dieser Titel hilft dann allen, die dann iimmer noch keine Lust auf Frankreich haben.