Erste Herausforderung des Freiwilligenjahrs
Erstes Aufgabengebiet
Teil 2 – Dezember
Ich habe, so scheint es mir, in sehr seltenen Momenten meines Lebens so intensiv gelebt wie in den letzten zwei Monaten: Mein sanft dahin plätscherndes, einschläferndes Dasein in Deutschland hat sich hier schlagartig in einen Erlebnis-Sturzbach verwandelt, der mich sicherlich in vielerlei Hinsicht verändern wird.
Diese Erfahrung teilt übrigens ein Großteil der Freiwilligen: Man taucht in eine völlig fremde Welt ein, deren Eigenschaften sich erst nach und nach offenbaren und dem Kulturfremden nicht unwesentliche Anpassungskraftakte abverlangen.
In diesem Bericht möchte ich versuchen, über alle jene Erlebnisse zu berichten, die mir seit dem Beginn der „vacaciones útiles“ Mitte November wiederfahren sind.
Die „vacaciones útiles“ werden in diesem Jahr zum ersten Mal im „colegio Rosenhammer“ durchgeführt und stecken daher noch in den Kinderschuhen. Die Idee ist, den Kindern jener Familien, die aus finanziellen oder anderen Gründen keine üblichen Reisen zu Verwandten und Bekannten in die Nachbardörfer und „comunidades“ (Dorfgemeinschaften in der Umgebung San Ignacios) unternehmen können, ein Ferienangebot mit Lern- und Freizeitelementen anzubieten. Schwester Elsa offenbarte mir direkt bei meiner Ankunft, dass sie mich als Verantwortliche für dieses Vorhaben auserkoren habe und ich bei der Gestaltung meiner Fantasie völlig freien Lauf lassen könne.
Ausgestattet mit den Schlüsseln zum gesamten Schulgebäude, meinen mageren Unterrichterfahrungen der ersten zwei Wochen, und der nützlichen Bekanntschaft überaus wichtiger Persönlichkeiten wie des „caseros“ (Hausmeister) und der „portera“ (Pförtnerin) haben wir dann einen vorläufigen Stundenplan für die ersten paar Wochen entworfen: Englischunterricht für Schüler der zweiten, dritten, siebten und achten Klasse, Informatik für Siebt- und Achtklässler, und „Lectoescritura“ (Lesen und Schreiben sowie spanische Grammatik) für Kinder mit Lernschwierigkeiten der ersten bis vierten Klasse; außerdem eine Kindergruppe (erste bis fünfte Klasse) und eine Jugendgruppe (sechste bis achte Klasse). Ehrlich gesagt hat mich die Perspektive eines derartig umfangreichen Stundenplans mit 18 Doppelstunden pro Woche zunächst etwas erschreckt, zumal ich ja so gut wie keine Erfahrung im Unterrichten habe, geschweige denn in spanischer Sprache. Außerdem verlangen regelmäßige Unterrichtseinheiten eine gewisse Vorbereitung und Planung im Gegensatz zu einzelnen Vertretungsstunden, in denen man den Schülern vielleicht mal ein Lied beibringt.
Glücklicherweise arbeiten die Lehrer in den ersten zwei Ferienwochen, um über Noten und Versetzungen abzustimmen sowie das nächste Schuljahr vorzubereiten, so dass sie mir in dieser Zeit ein wenig zur Seite stehen konnten. Einige Lehrer haben mir Bücher und Unterrichtsmaterial mitgebracht, andere mir Tipps zur Gestaltung des Unterrichts gegeben, wiederum andere mich mit Ratschlägen zum Umgang mit den Schülern versorgt, und die Pförtnerin hat mir jeden Tag einen Kaffee gekocht, da die „pobre voluntaria“ (arme Freiwillige) sogar in den Ferien arbeiten muss.
Von Seiten der Lehrer habe ich mich daher von Anfang an sehr gut aufgenommen gefühlt, und soweit ich dies mitbekommen konnte, herrscht unter den Lehrern eine sehr angenehme Arbeitsatmosphäre. Alle drei Monate trifft sich das Kollegium zu einer „fiesta“ (Fest), um mit gemeinsamem Essen und Tanz sämtliche anfallenden Geburtstage, Ferienbeginne und sonstige Feierlichkeiten zu begehen, und auch mich haben sie zu einem dieser Feste eingeladen.