Zusammenleben in Israel
Moschaw: eine größe Familie
Der Moschaw gewann in den siebziger und frühen achtziger Jahren als Lebensform neben dem Kibbuz zunehmend an Bedeutung. Die auf genossenschaftlicher Basis organisierten Dörfer unterscheiden sich von den Kibbuzim hauptsächlich durch die Tatsache, daß nicht das Gemeinschaftsleben, also die Kommune, im Mittelpunkt steht, sondern die Familie. Außerdem bewirtschaftet häufig jede Familie einen eigenen Hof. Land ist jedoch Nationaleigentum und nur auf 49 Jahre gepachtet. In den derzeit 382 Moschawim leben und arbeiten noch knapp 142.000 Menschen; das entspricht einem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 4,6 %. Ein zunehmender Konzentrationsprozeß und durchgreifender Strukturwandel seit Mitte der achtziger Jahre lassen allerdings erwarten, daß sich diese Zahlen bis zum Ende des Jahrtausends nicht werden halten lassen.
Zulauf erhielten die Moschawim nach der staatlichen Unabhängigkeit Israels 1948, nicht zuletzt von Überlebenden des Holocaust, die sich mit den kollektiven Strukturen der Kibbuzim nicht so recht anfreunden konnten. Bald stellte sich heraus, daß die Vorteile einer genossenschaftlichen Organisation sehr wohl mit familiärem Besitz vereinbar waren. Das Moschawprinzip fiel später sogar in lateinamerikanischen, afrikanischen und asiatischen Entwicklungsländern auf fruchtbaren Boden.
Wir unterscheiden im folgenden zwischen vier, nicht streng voneinander abgrenzbaren, Moschawtypen (die christlichen Moschawim wie Nes Ammim nicht mitgerechnet, die eher eine Randerscheinung bilden).
Moschaw-Shitufi (kollektive Moschawim)
In den dreißig Moshavim-Shitufim sind Grund und Boden Gemeinbesitz und werden - ähnlich wie im Kibbuz - von der Dorfgemeinschaft bearbeitet. Arbeit und Entlohnung richten sich nach den persönlichen Voraussetzungen und Bedürfnissen der Siedler. Die Einwohner dieses Moschawtyps nutzen die Vorteile der Gemeinschaft, etwa die Möglichkeit großzügiger Investitionen, die einem einzelnen Farmer unmöglich wären. Gleichzeitig sollen die Reibungspunkte des Kollektivs umschifft werden: im Gegensatz zum Kibbuz gibt es hier keinen Speisesaal und kein Kinderhaus - wohl aber von der Siedlung unterhaltene Kleinkinderhorte, Kindergärten und Schulen. Jede Familie unterhält ihren eigenen, individuellen Haushalt. Ein großer Teil der Moschawin-Shitufim wurden schon als »industrielle Dörfer« gegründet, da in manchen Regionen keine Landwirtschaft möglich war. Eigene Industriebetriebe haben in den letzten Jahren zunehmend Verbreitung gefunden.
Moschaw-Ovdim
Der Moschaw-Ovdim entspricht in seiner Struktur dem ersten, 1923 gegründeten Moschaw. Dieser Typ stellt den größten Anteil unter den heute etwa 380 Moschawim.
Nach außen tritt die Siedlung als Kooperative auf, im Inneren wird das individuelle Familienleben stark betont. In diesen Moschawim sind auch bezahlte Hilfskräfte tätig.
Entscheidungen über die Angelegenheiten des Moschaw trifft die Vollversammlung der Siedler (Assefa Klalit), in der jeder Farmer eine Stimme hat. Die Vollversammlung wählt einen Ausschuß (Maskirut), der für die praktische Umsetzung der Entscheidungen verantwortlich ist.
Moschaw Ta Asiyati
Diese Siedlungen haben sich auf die Industrieproduktion verlegt: in technisch hervorragend ausgestatteten Manufakturen werden seit eingen Jahren Produkte jeder Art hergestellt. Grund für die Abkehr von der Landwirtschaft in diesen Siedlungen war der Wassermangel, d.h. die Unmöglichkeit landwirtschaftlichen Anbaus in manchen Regionen Israels. Hier werden in der Regel keine Volontäre eingesetzt.
Moschaw-Azori
Beim vierten Siedlungstyp, Moschaw-Azori, steht im Gegensatz zu den früheren Einzelgründungen die Regionalplanung im Vordergrund. Sowohl die Ansiedlung der Farmen als auch der Aufbau einer Infrastruktur werden für die Moschawim einer Region (etwa zehn bis zwölf Siedlungen) zentral geplant. In regionalen Zentren (Moschaw-Azori) befinden sich Krankenhäuser, Schulen, Apotheken usw.
Wie die Auflistung zeigt, sind die Übergänge zwischen Kibbuz und Moschaw fließend. Der Vorteil der Moschawim für ausländische Volontäre bestand bisher darin, daß hier - im Gegensatz zu den Kibbuzim - noch ein großer Bedarf an Volontären bestand. Seit in einigen Moschawim asiatische Kontraktarbeiter mit Zeitverträgen angeworben werden, z.B. aus Thailand und Palästina, haben sich die Beschäftigungsaussichten wieder verschlechtert. Hinzu kommt, daß sich die Moschawim in einem in seinen Folgen noch nicht absehbaren Strukturwandel befinden, der zu Lasten kleiner Siedlungen geht.
Früher bewarben sich hauptsächlich Volontäre, die aus irgendwelchen Gründen von den Kibbuzim abgewiesen worden waren. Heute gibt es - nach Aussage der Volontärverantwortlichen - immer mehr Direktbewerbungen aus dem Ausland.