Freiwillige Arbeit im Moschaw
Gute und schlechte Erfahrungen
Die Arbeit ist ungleich härter als in den meisten Kibbuzim. Ungeachtet einer grundsätzlich gültigen Wochenarbeitszeit von 48 Stunden (8 Std. an sechs Tagen), sind Überstunden an der Tagesordnung: zehn Stunden täglich sind nichts Besonderes, darüber hinaus arbeiten Volontäre aber häufig noch länger, so daß 75 Wochenarbeitsstunden oder gar vierzehn Stunden am Tag, also 84 Stunden / Woche, zusammenkommen. Überstunden werden allerdings finanziell oder in Form freier Tage abgegolten.
Schauen wir uns den Tagesablauf eines Moschawarbeiters doch einmal genau an: noch vor Morgengrauen steht er auf und frühstückt nach den ersten zwei Arbeitsstunden. Dann nimmt er seine Tätigkeit wieder auf bis mittags, wenn gewöhnlich eine ein- bis zweistündige Essens- und Mittagspause eingelegt wird. Danach steht noch manche schweißtreibende Arbeitsstunde in der Nachmittagshitze bis 15h oder 15.30h auf dem Programm. Die Wintertemperaturen im Süden des Landes erlauben die Arbeit mit Hemdsärmeln vom späten Vormittag an, während es im Norden, vor allem in höher gelegenen Gegenden, erheblich kälter wird.
Die überwiegende Zahl der in Frage kommenden Moschawim sind Moschawim-Ovdim. In diesen Siedlungen wohnt der Volontär zusammen mit anderen Freiwilligen in einer einfachen Hütte neben dem Wohnhaus der jeweiligen Familie oder in einem eigens errichteten Wohnhaus mit durchschnittlich drei bis vier Zimmern. Ausstattung und »Komfort« variieren stark: wer ein brauchbares Bett und eine Küchenecke mit etwas mehr als dem obligatorischen Zwei-Kochstellen-Gasbrenner für sechs Bewohner sein eigen nennt, darf sich bereits glücklich schätzen.
Das Taschengeld ist - wegen der allfälligen Überstunden - zwar geringfügig höher als im Kibbuz, darf sich allerdings nicht im Traum an westeuropäischen Verhältnissen messen. Immerhin sind die Stundenlöhne attraktiv genug, um asiatische Vertragsarbeiter für ein oder zwei Jahre ins Land zu locken. Dafür ist der Kontakt zu den Familien viel direkter, so daß es immer gute Möglichkeiten gibt, mit den Israelis ins Gespräch zu kommen.
Die kooperative Verwaltung dieser Farmen wird einem Volontär im Alltag kaum bewußt werden. Er lebt und arbeitet bei seiner Bauernfamilie, die auf seine Hilfe angewiesen ist. Häufig müssen die Volontäre sich auf eigene Kosten selbst verpflegen, was Grundkenntnisse im Kochen voraussetzt. Erschwerend kommen meist spartanische Kochgelegenheiten hinzu, so daß die Feierabendstimmung nach einem harten Arbeitstag schon mal leiden kann.
Ein französischer Volontär, den ich in einem Kibbuz traf, hatte so schlechte Erfahrungen in seinem Moschaw gemacht, daß er mit den Moschawim im Besonderen und den Israelis im Allgemeinen haderte. Man hätte ihn »comme un chien« (wie einen Hund) behandelt, und im übrigen beklagte er sich - er selbst hatte eine landwirtschaftliche Ausbildung - über die Unkenntnis seiner Arbeitgeber auf diesem Gebiet. Diese hatten vor Ihrer Ankunft in Israel eine völlig andere Tätigkeit ausgeübt und hatten lediglich eine kurze Unterweisung in landwirtschaftlichen Anbaumethoden erhalten. Dieses ist wohlgemerkt ein Einzelfall, der sich keinesfalls verallgemeinern läßt.
Der politisch-ideologische Hintergrund der Moschawsiedler ist ebenfalls ein anderer als der der Kibbuzniks. Viele Moschawim befinden sich in besetzten Gebieten (Golan, Westjordanland), und die Weltanschauung der Moschawim stellt als Ideal weniger eine sozialistische Gemeinschaft als vielmehr die Kleinfamilie in den Mittelpunkt. Wie eingangs beschrieben, bestehen erstens große Unterschiede zwischen den Siedlungstypen; und zweitens ist der Erfolg oder Mißerfolg eines Moschawaufenthaltes sehr vom persönlichen Verhältnis zur Farmerfamilie abhängig.
Fazit: Freiwillige in Moschawin betrachten sich häufig als vom Schicksal besonders hart geprüfte Idealisten, vor allem im Vergleich zu ihren »privilegierten« Kollegen im Kibbuz. Deshalb trifft man hier häufiger auf erfahrene, gestandene Charaktere mit der Fähigkeit zur selbständigen Arbeit, während im Kibbuz nicht selten die ersten Auslandserfahrungen gesammelt werden. Auf jeden Fall stellt sich die Moschawarbeit in der augenblicklichen Situation als naheliegendste Alternative zum Kibbuz dar, dessen Volontärsstellen drastisch gekürzt wurden.