Bolivianische Meereshymne

„Día del Mar“ - der Tag des Meeres

Lust auf Meer

Entstehung eines 346 m langen Protestbriefes an „Koffe Anan“

Teil 4 – März bis Juni

Nun, da ich wieder in Deutschland bin, scheint es mir fast unmöglich, über die Ereignisse der letzten vier Monate in einem einzigen Brief zu berichten. Rückblickend habe ich das Gefühl, als seien gerade die Abschlussmonate in Bolivien die intensivsten gewesen, da ich inzwischen die spanische Sprache recht gut beherrsche und mit der Mentalität der Bolivianer etwas vertrauter geworden bin; so konnte ich viel aktiver an den Aktivitäten in der Schule und im privaten Bereich teilnehmen.

Der bolivianische Schulalltag wird durch das feierliche Begehen zahlreicher, besonderer Anlässe aufgelockert, die zur Freude von Schülern und Lehrern für den Ausfall einiger Unterrichtsstunden sorgen, um einen gebührenden „acto cívico“ (feierlicher Akt) durchzuführen.

Einer dieser Höhepunkte stellt der „Día del Mar“ (Tag des Meeres) dar, an dem symbolisch an den sogenannten Salpeterkrieg (1879-1883) zwischen Bolivien, Peru und Chile erinnert wird; damals musste Bolivien den Ort Antofagasta an Chile abtreten und verlor damit seinen einzigen Zugang zum Pazifik. Bis heute erachten die Bolivianer diese Niederlage und den Verlust des Meeres als „hinterhältigen Betrug“ und „gemeinen Diebstahl“, und die so entstandene Abneigung zwischen Bolivianern und Chilenen ist nach wie vor sehr lebendig. So wie die Deutschen Ostfriesenwitze erzählen, sind die Hauptprotagonisten der bolivianischen Witze sehr häufig Chilenen, die dabei nicht gerade positiv wegkommen. Zum diesjährigen 125. Tag des Meeres wurden alle Schüler aufgerufen, einen Protestbrief an den UN-Generalsekretär zu richten und um eine Revision der damals abgeschlossenen Verträge zu bitten. In der Schule erhielten daher alle Schüler nach einem feierlichen „acto cívico“ und dem Singen der Nationalhymne sowie der Meereshymne die Aufgabe, genannten Brief mit einer Zeichnung des geliebten Meeres an „Koffe Anan“ (diese interessante Schreibweise benutzten durch eine Fehlinfo leider alle Kurse; als Fredi und ich diskret auf die etwas peinliche Abweichung hinwiesen, waren die Briefe leider schon geschrieben) zu schreiben und diesen anschließend zu einer riesigen Papierschlange zusammenzukleben, die dann aufgerollt nach La Paz geschickt wurde. Hinterher erfuhren wir, dass die immerhin 346 m lange Papierrolle auf der Reise „verloren“ ging und der ganze Aufwand umsonst war; immerhin aber hatten Schüler und Lehrer einen unterrichtsfreien Tag verbracht, und ich erhielt Gelegenheit, die außerordentlichen Zeichenkünste meiner Schüler zu bewundern.

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