Festivitäten an bolivianischen Schulen

Vater- und Muttertag stellen wichtige Momente im Schulleben da

Theaterstücke und feine Speisen gehören zu den Festtagen

Selbstgeschriebene Aufführungen spiegeln die traurige Realität

Ähnlich wichtige Momente des Schullebens stellen sowohl der Vatertag („Día del Padre“) am 19. März und der noch größer gefeierte Muttertag („Día de la Madre“) am 27. Mai dar. Zu beiden Anlässen werden die Eltern ins colegio eingeladen und mit einem „acto cívico“ sowie einer Messe (die in einem „colegio de convenio“, also einer religiösen Schule wie dem Rosenhammer, zu feierlichen Anlässen nicht fehlen darf) geehrt; dem folgen freiwillig vorgetragene Tänze, Gedichte, Lieder, kleine Theaterstücke und Sketche seitens der Schüler. Als recht aufschlussreich habe ich die überwiegend selbst geschriebenen Theaterstücke empfunden, die Familiensituationen wiederspiegelten, wie sie viele Schüler durchleben: Obwohl eine gehörige Prise Humor die versammelten Eltern und Lehrer über die dargestellten Situationen wie Untreue, Gewalt in der Familie, frühe Schwangerschaften und Versorgungsprobleme herzlich lachen ließen, wurden indirekt viele Probleme angesprochen, mit denen Eltern und Kinder innerhalb der Familien tatsächlich Tag für Tag konfrontiert werden. So ließen die zu Ehren der Väter und Mütter präsentierten Nummern manchmal traurige Realitäten erahnen, ebenso wie die recht niedrig liegende Zahl anwesender Eltern (am Vatertag waren es um 50 Väter, zum Muttertag kamen um 150 Mütter von insgesamt fast 800 Schülern) von Zeitmangel aufgrund ganztägiger und zermürbender Arbeit zeugte, Desinteresse an den Kindern und alleinerziehenden Elternteilen. Als bezeichnend habe ich die Reaktion einer meiner Drittklässler, Gabriel, empfunden, dessen Vater die Mutter mit drei kleinen Kindern und ohne finanzielle Mittel vor einigen Jahren hat sitzen lassen; Gabriel weigerte sich, zum Vatertag zu gehen, mit der Begründung, er habe ja eh keinen Vater.

Auch der Magen kommt nicht zu kurz, und den jeweils gefeierten Elternteilen werden von Schülern und Lehrern vorbereitete Speisen wie „salteñas“ (saftige, im Ofen gebackene Teigtaschen mit Fleisch und Gemüse gefüllt), „empanadas“ (gebratene, mit Käse oder Fleisch gefüllte Teigtaschen), Hackfleischbällchen, Popkorn, Bananen- und Kartoffelchips und Käse sowie „chicha“ (aus Mais hergestelltes Getränk) angeboten. Anschließend erhalten die Kinder und Jugendlichen dann Gelegenheit, ihren Eltern im Unterricht erarbeitete Geschenke zu übereichen. Auch die Mütter und Väter im Lehrerkollegium (eigentlich alle) werden im Lehrerzimmer mit Tanz und Musik sowie „salteñas“ gefeiert; sogar mir wurde für meine zukünftigen Kinder gratuliert, wobei mich meine kleinen Erstklässler ganz neugierig fragten, ob blonde Frauen denn überhaupt Kinder kriegen könnten, es gäbe davon ja so wenig.

Ein weiterer wichtiger schulischer Feiertag ist der „Tag des Lehrers“ („Día del Maestro“), der als Dankeschön an das gesamte Schulpersonal ausschließlich von den Schülern des Abschlussjahrgangs organisiert wird, sich ansonsten aber vom Ablauf her nur wenig von Vater- und Muttertag unterscheidet. Ein sehr originelles, selbstgeschriebenes Theaterstück der Schüler über die Höhen und Tiefen des Schulalltags und die manchmal unmöglich erscheinende Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern ließ Lehrer und Mitschüler herzlich lachen; der Tag spiegelte die sehr lockere und freundschaftliche Atmosphäre im „colegio Rosenhammer“ wieder, die aus meiner Sicht nicht unwesentlich von der aufmerksamen und fürsorglichen Leitung durch die Schwesternschaft beeinflusst wird.