Erste Unterrichtserfahrungen

Erste Erfahrungen als richtige Lehrkraft

Lehrerweisheiten in Bolivien erfahren lernen

Nach einer guten Woche haben wir begonnen, die Kurse wie geplant in jeweils zwei Gruppen zu unterteilen; während ein Teil mit Fredi im Computerraum einen Computer auseinander nahm und anschließend als Einstieg lernte, mit dem Malprogramm Paint umzugehen, blieb ich mich dem Rest im Klassenraum, um Englischunterricht zu geben.
Vor allem in den zwei älteren Jahrgangsstufen – also „terceros“ (Drittklässler der Oberstufe) und „cuartos“ (Viertklässler, also zukünftige „bachilleres“ – Abiturienten) klappte dies gut, und die Computergruppe kam immer vollständig am Computerraum an, während der andere Teil im Englischunterricht recht interessiert mitarbeitete.
Für die Drittklässler hatten wir uns überlegt, ausgehend von dem amerikanischen Film „The Dead Poets’ Society“ (Der Club der toten Dichter) die darin vorkommenden Gedichte von Walt Whitman, Robert Frost und Shakespeare durchzunehmen, und vor allem die Aussprache zu üben. Mit den Viertklässlern beschlossen wir, an das Lied „Blowing in the wind“ mit dem Thema „Music of the 70th“ (Musik der 70er Jahre) anzuknüpfen, und in diesem Rahmen auf den Wunsch der Schüler einzugehen, mehr über den kalten Krieg sowie deutsche Geschichte zu erfahren. Mit den jüngeren Jahrgangsstufen gestaltete sich das Ganze schon etwas schwieriger: Mit den „segundos“ (Zweitklässler) beschränkte ich mich darauf, einige Grammatikübungen zu den derzeitig aktuellen Themen des Englischunterrichtes durchzunehmen, da regelmäßig die Hälfte des Kurses aus den wichtigsten Gründen abwesend war oder auf dem Weg zum Computerunterricht verloren ging; die „primeros“ (Erstklässler) befanden sich im absoluten Traumalter von 14 bis 16 Jahren und legten, frei nach dem Motto „no quiero nada“ (äquivalent zum deutschen „null Bock auf nix“), ein entsprechend „cooles“ Verhalten an den Tag.

Erst durch das gemeinsame Streichen des Schulgebäudes (Schwester Elsa entschied eines morgens, dass dies unbedingt nötig sei, und verpflichtete jede Klasse dazu, den eigenen Raum zu streichen – mich teilte sie als Zuständige für die Primeros ein) habe ich diese Schüler besser kennen gelernt und gemerkt, dass die harte Fassade in den meisten Fällen einen sehr weichen und liebenswerten Kern enthält.

Die Achtklässler sind nach wie vor meine Lieblingsstufe, da ich einen großen Teil in den Ferien kennen gelernt habe und mich so im Unterricht viel sicherer und lockerer verhalten kann, auch wenn ich mich anstrengen muss, dies nicht in ein allzu kumpelhaftes Verhalten abgleiten zu lassen (die beiden Extremvarianten des sehr strengen und sehr lockeren Lehrers haben nämlich den gemeinsamen Effekt, dass niemand zuhört – eine echt brauchbare, leider aber auch schwer zu beherzigende Lehrerweisheit).

Improvisierte Instrumente im Musikunterricht

Am meisten Freude bereitet mir der Musikunterricht in den ersten drei Klassen der Unterstufe: Mit den Kleinen fällt etwaiger fehlender Respekt seitens der Schüler aufgrund meines Alters komplett weg, und es gelingt mir um einiges besser, die Kinder für eine Sache zu begeistern. So lerne ich mit ihnen spanische Kinderlieder, von denen ich mir Aufnahmen aus Madrid mitgebracht hatte, und begleite diese mit Händen, Füssen und selbstgemachten Instrumenten (Rasseln = mit Steinen gefüllte Kaffeedosen und auf Draht gezogene Getränkedosenverschlüsse, Trommeln = leere Schachteln mit Plastikplane bespannt, Klanghölzer aus alten Besenstielen). Außerdem haben die Kinder gelernt, den Violinschlüssel und einige Noten in ein Notensystem zu malen, einfache Rhythmen zu erfinden und aufzuschreiben und die einzelnen Teile einer Geige zu benennen. Am Liebsten hören die Kinder Musik von unterschiedlichen Komponisten, zu der sie sich dann wie eine „muñeca“ (Puppe) bewegen müssen. Der Musikhit in der dritten Klasse ist zum Beispiel „la canción que tiene hartos violines“ (das Lied mit den vielen Geigen), womit die Schüler „Eine kleine Nachtmusik“ von Mozart (den sie übrigens trotz meines Protestes aus Spaß „Mostaza“ = Senf nennen!) meinen.

Zwei Stunden pro Woche gebe ich dann noch „Lectoescritura“ in der ersten Klasse und soll den Kindern eigentlich Lesen und Schreiben beibringen. Da die Kinder aber bereits die ganze Woche mit ihrer Klassenlehrerin immer wieder Wörter und Sätze stur abschreiben müssen (die hier übliche Methode, um Schreiben zu lehren), habe ich meinen Unterricht (auf Bitte der Lehrerin hin) in eine Märchenstunde umfunktioniert. So haben wir dann zum Beispiel die Nase des Pinocchio und die Kappe des Rotkäppchens gebastelt, und das Lied des gestiefelten Katers zur Melodie von „My Bonny is over the ocean“ gelernt.

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