Fünfter Monat in Bolivien

Theoretischer und praktischer Glaube der Einwohner

Erbe der Jesuitenpater

Teil 3 – Januar/ Februar 

Es ist unglaublich, wie schnell die Zeit hier zu vergehen scheint: Im Februar ist mein fünfter Monat in Bolivien angebrochen, und es ist mir inzwischen klar, dass die ursprünglich geplanten sechs Monate wohl eine sehr knappe Zeit sind, um sich in einem fremden Land so richtig einzuleben. Erst jetzt habe ich mich recht gut an das Klima gewöhnt und beginne, „camba“ (der spanische Dialekt der Ignacianer, im Gegensatz zum „colla“, dem Spanisch der Bolivianer des Altiplanos) zu verstehen und zu sprechen. Was meine Arbeit in der Schule betrifft, so bringt jeder Tag derartig viele neue Erfahrungen und Eindrücke mit sich, dass wohl ein komplettes Schuljahr gerade ausreichen dürfte, um einen vollständigen Eindruck zu bekommen. Zusammen mit den Schwestern habe ich bereits entschieden, dass ich zwei Monate länger, also bis Juli bleiben werde.

Mein erstes prägendes Erlebnis dieses Jahres war das heilige Dreikönigsfest am 6. Januar, welches hier in vielen Gemeinden aus Zeitgründen am davor liegenden Wochenende begangen wird. Ähnlich wie in Deutschland spielt dieses Datum im Vergleich zu Weihnachten keine so wichtige Rolle, und die Menschen begnügen sich damit, gemeinsam in die etwas feierlichere Sonntagsmesse zu gehen. Der Großteil der Bevölkerung ist römisch-katholisch und sehr gläubig, bei wichtigen Festen sind sämtliche Kirchen sowie die große Kathedrale bis auf den letzten Platz gefüllt, und auch unter der Woche finden sich genügend Gläubige, um jeden Tag eine Messe zu feiern. Das Erbe der Jesuitenpaters, die die Chiquitania christianisierten, hat sich bis heute als eine erstaunlich aktive und lebendige Gläubigkeit innerhalb der Bevölkerung erhalten; den festen Glauben an Geister, Dämonen und Ahnen schließt das jedoch für viele Menschen nicht aus, und alte Gebräuche vermengen sich mit den christlichen Traditionen zu einer eigenen, prägenden Kultur. Vor allem in den „comunidades“ (Dorfgemeinschaften in der Umgebung) haben oft die „kazikes“ (Stammeshäuptlinge) viel Einfluss, die neben der Anwendung vieler durchaus wirksamer Naturheilmittel auch um die Hilfe der Geister bitten, um einen Patienten zu heilen. Es wird außerdem erzählt, dass sowohl im „Guapomó“ (dem Stausee der Stadt) als auch in verschieden Häusern und an bestimmten Orten Geister und Dämonen wohnen, die je nach dem gute oder schlechte Fähigkeiten besitzen.

Vorbereitungen der Idente-Jugend auf das Dreikönigsfest

Traditionell fahren am 6. Februar Jugendgruppen in die umliegenden „comunidades“, um Essen und Geschenke auszuteilen und den Menschen dort eine Freude zu bereiten. Bereits im November hatte die Idente-Jugend an sämtliche Geschäfte der Stadt und verschiedene Privatpersonen Briefe versandt, um Spenden in Form von Kleidung, Spielzeug, Essen oder Geld zu erbitten. Dazu gehörte nicht nur das Austeilen der Briefe, sondern auch wiederholtes Nachfragen und das anschließende Einsammeln der Spenden – in den letzen Tagen vor dem Dreikönigssonntag sind wir stundenlang durchs Dorf gekurvt, um die Geschenke für die immerhin 80 Einwohner (30 Jugendliche und Erwachsene sowie 50 Kinder) der Dorfgemeinschaft „Santa Rosita“ (circa 50 km entfernt) zu erstehen. Am Samstag haben wir uns dann zum gemeinsamen Brot-, Kuchen- und Keksbacken im Haus eines Idente-Mitglieds getroffen, um in einem traditionellen Lehm-Rundofen (die Familien bauen sich diese Öfen selbst nach jahrhundertealter Tradition auf; geheizt wird mit Holz) immerhin 200 Brötchen, 150 Stücke Kuchen und 300 Plätzchen (letztere leider knochenhart aber lecker) zuzubereiten.

Sonntag morgen haben wir uns dann um sechs Uhr morgens in einem vom Bischof zur Verfügung gestellten Laster auf den Weg gemacht: Um diese Uhrzeit herrschten noch angenehme 20 Grad und auf dem offenen Laster benötigte man aufgrund des Fahrtwindes bei circa 100 km/h sogar wärmende Kleidung; ich fand es bewundernswert, wie der Fahrer nicht nur auf der recht gut ausgefahrenen Sandpiste nach Santa Cruz, sondern auch auf dem Zufahrtspfad nach Santa Rosita trotz zahlreicher Schlaglöcher und metertiefer Pfützen des letzten Regens mit erstaunlicher Sicherheit elegante Schlenker um riesige Spinnennetze, überhängende Äste und abgestorbene Baumstämme zu Stande brachte. Die Bewohner Santa Rositas legen den sieben Kilometer-Marsch durch den Urwald in der Regel zu Fuß oder in Eselskarren zurück, und nur selten wagt sich ein Motorfahrzeug bis zu dem abgelegenen Dörfchen vor. Auf dem Laster herrschte trotz der frühen Stunde eine absolut tolle Stimmung: Ich wundere mich immer wieder aufs Neue über die große Anzahl an Liedern, die die Jugendlichen auswendig können und bei jeder Gelegenheit gemeinsam singen.

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