Chancenlose Jugendliche
Junge Erwachsene ohne Ausbildung
Berufsvorbereitung statt Lehre
Ausbildung. Jeder Schulabgänger trägt sich mit der Hoffnung, irgendwo eine Lehrstelle zu finden und dort etwas Nützliches für die berufliche Karriere zu lernen.
In den Zeitungen liest man von Lehrstellenmangel und tausenden deutschen Jugendlichen ohne Ausbildung. Dreißigtausend Ausbildungsplätze fehlen offiziell, doch existieren weitaus mehr lehrstellenlose Jugendliche, die in den Statistiken schlicht nicht auftauchen.
Ungefähr seit einem Jahrzehnt kämpfen Schulabgänger um eine Lehrstelle. Seit fünfzehn Jahren stieg die Zahl der Absolventen um etwa hundertachtzigtausend, während die Betriebe in der gleichen Zeit um die hundertsechzigtausend Ausbildungsplätze vom Markt nahmen.
Auch die Bemühungen der Regierung änderten diese verzweifelte Lage nicht. Hoffnungen gibt es für Beginn des nächsten Jahrzehnts, wenn die nicht ganz so geburtenstarken Jahrgänge ihre Schullaufbahn beenden. Doch ob sich dann so viel ändern wird?
Jugendliche, die nicht in einer Ausbildung unterkamen, sitzen momentan in berufsvorbereitenden Maßnahmen und hoffen, ihre Chancen durch Weiterbildung zu verbessern. Diese jungen Menschen warten darauf, vielleicht im nächsten oder übernächsten Jahr endlich eine Lehre antreten zu können.
Selbst wenn jedes Jahr nur hunderttausend in eine Weiterqualifizierungsmaßnahme abgeschoben werden, wächst diese Zahl innerhalb weniger Jahre stark an. Diese Menschen, die Weiterbildung als Lückenbüßer nutzen, erwartet nur selten eine vielversprechende Zukunft.
Und die tatsächlichen Zahlen muten noch schlimmer an, denn es sind nicht nur wenige tausend Jugendliche ohne Lehrstelle.
Sicher schönen die Statistiken die Lage. Die jungen Menschen befinden sich nicht auf der Straße oder einer völligen Aussichtslosigkeit, denn auch wenn sie nicht die erwünschte Lehre beginnen konnten, so haben sie dennoch die Chance zur Fortbildung. Doch eine abgeschlossene Berufsausbildung nimmt in Deutschland einen hohen Stellenwert ein. Den Jugendlichen wird dazu nicht viel Zeit gelassen, denn mit jedem verstrichenen Jahr rücken neue, jüngere Konkurrenten auf.
Ohne Schulabschluss können die Jugendlichen ihren Kampf fast von vorneherein aufgeben. Abiturienten besetzen heute die Lehrstellen, die früher an Realschüler fielen, und diese nehmen aus Not Hauptschülern die Stellen weg. Von diesen unterschreiben nur noch vierzig Prozent einen Ausbildungsvertrag.
Teilnehmer eines Berufsvorbereitungsjahres kennen ihre Chancen meist genau. Vielfach sehen sie die Weiterbildung als Lückenbüßer an, die ihnen beim Finden einer langfristigen Perspektive auch nicht weiterhilft.
Manch ein Unternehmen greift gezielt zu Hauptschülern als Lehrlinge, sei es aus sozialer Verpflichtung oder weil diese die Bemühung dankend zurückgeben. Nicht jeder Schüler mit gutem Abschluss arbeitet nämlich auch gut im Betrieb.
Dennoch sieht die traurige Realität so aus, dass Noten ein wichtiges Auswahlkriterium sind. Da mag der Bahnfan noch so viel über die Geschichte der Eisenbahn, die Tarife und die Streckenverbindungen wissen – wenn sich dies nicht in seinen Noten niederschlägt, wird er oft gleich zu Beginn ausgesiebt.
Gerade Kinder ausländischer Einwanderer haben bei der Ausbildungssuche schlechte Karten.
Etwa ein Viertel der Türken in Deutschland zwischen zwanzig und fünfundzwanzig hat keinen Broterwerb; mehr als ein Drittel der Türkinnen dieses Alters haben bereits ein Kind und arbeiten als Hausfrau.
Noch in den Fünfzigern wies rund ein Drittel der Bundesbürger keine abgeschlossene Berufsausbildung vor, heute sind dies nicht einmal mehr fünfzehn Prozent. Der Arbeitsmarkt wandelte sich; Arbeit für ungelernte Kräfte findet sich kaum noch.
Die Zukunft der ausbildungslosen Jugendlichen sieht düster aus. Wer nicht studieren kann oder will, mag sich weiterqualifizieren. Wahrscheinlich finden sie irgendwann eine Stelle, doch dass sie die ganzen fünfzig Jahre bis zur Rente arbeiten, zweifeln die Experten an. Ab und zu mal ein Job, dazwischen erwartet sie immer wieder die Arbeitslosigkeit.
Was soll aus Deutschlands Jugend werden? Die Befürchtung liegt nicht fern, auch bei uns bald mit Jugendkrawallen zu kämpfen, wie es uns die Franzosen bereits vormachen …