Vorbereitung auf den Schulbeginn

Vorbereitung auf den Schulanfang

Jedes Jahr müssen sich die Schüler neu in die Schule einschreiben

Bereits am ersten Februar füllte sich die Schule so langsam mit Leben; hin und wieder schaute die Sekretärin vorbei, um mich zu bitten, eine Schülerliste auf dem Computer zu tippen; einige Lehrer ließen sich des öfteren blicken, um Bücher auszuleihen, und Schwester Elsa verbrachte bereits die gesamten Vormittage in ihrem Büro, um das kommende Schuljahr zu planen. Auf die Woche vom 15. bis zum 21. Januar fielen dann die Einschreibungen für das kommende Schuljahr, die für sämtliche Schüler verpflichtend sind – während der dreimonatigen Ferien ergeben sich in den Familien immer viele Veränderungen, so dass in jedem Jahrgang zahlreiche Neuanmeldungen dazukommen, im selbem Rahmen aber auch viele Schüler zum Beispiel wegen Schwangerschaft (schwangere Mädchen werden vom Unterricht ausgeschlossen, ebenso Jugendliche, die bereits verheiratet sind – sie müssen an der Abendschule weiterlernen, die leider hoffnungslos überfüllt ist), Umzug in eine der „comunidades“ oder als zusätzliche Arbeitskraft im Haushalt von der Schule abgemeldet werden. In Bolivien besteht zwar offiziell Schulpflicht bis zur sechsten Klasse, aber es fehlen allein schon die Einrichtungen, um dies allen schulpflichtigen Kindern zu ermöglichen. Darüber hinaus arbeiten viele Eltern den ganzen Tag lang, und können den regelmäßigen Schulbesuch nicht kontrollieren, bis die Kinder aufgrund übermäßigen Fehlens vom Unterricht ausgeschlossen werden. Und schließlich gibt es viele Kinder, die als Schuhputzer, Brot- und Süßigkeitenverkäufer und Taschenträger auf dem Markt arbeiten und somit voll zum Familiengehalt beitragen. 90% der Schüler des Rosenhammers stammen aus den ärmsten Familien der Stadt und mehr als die Hälfte besuchen morgens die Schule und arbeiten den gesamten Nachmittag. Großartige Hausaufgaben kann man diesen Kindern nur schwer zumuten, da sie oftmals noch weite Schulwege zu Fuß zurücklegen müssen – der größte Traum fast aller Kinder ist es darum, ein eigenes Fahrrad zu besitzen. Wenn ich morgens mit dem Rad zur Schule fahre, holen mich fast immer einige Schüler ein, um auf dem Gepäckträger mitzufahren.

Die Qual der Wahl

Die Einschreibungen gestalteten sich als wahre Streiterei mit den Eltern, die zum Teil ab fünf Uhr morgens vor der Schule auf die Ankunft von Schwester Elsa warteten, und denen die ausgehängte Einschreibeordnung (eigentlich sollten an jedem Tag die Einschreibung für unterschiedliche Jahrgangsstufen stattfinden) recht egal war. Sobald Elsa angeradelt kam, rannten die Mütter und Väter ihr entgegen, um mit den überzeugensten Gründen die Aufnahme für ihr Kind zu erbitten. Elsa entschied sich dann bereits am zweiten Tag, lieber durch die Hintertür unbemerkt in ihr Büro zu gelangen, um dem morgendlichen halbstündigen Vordrängeln bis zur Schulpforte zu entgehen. So verbrachte die Arme die gesamte Woche bis spät in den Nachmittag damit, sich eine Familientragödie nach der anderen anzuhören, die ihr oft unter Tränen vorgetragen wurden und immer mit der Bitte endeten, den Sohn oder die Tochter in die Schule aufzunehmen. Wie bereits in meinen vorherigen Berichten erwähnt, hatte das „colegio Rosenhammer“ noch bis vor einigen Jahren einen sehr schlechten Ruf (niedriges Lernniveau, hohe Kriminalitätsrate, Drogenkonsum und ein zerfallendes Schulgebäude), so dass Kinder und Eltern sich schämten, sich aus finanziellen oder anderen Gründen dort einschreiben zu müssen. Inzwischen muss Schwester Elsa jedes Jahr trotz vielen Flehens Schüler abweisen, um die Kursgrößen wenigstens unter 50 Schülern pro Kurs zu halten.

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