Schulbeginn
Schnee - Lieblingsthema bei bolivianischen Schülern
Der erste Schultag begann dann mit dem „acto cívico“, der sich jeden Montag vor Beginn des Unterrichts um 7 Uhr 30 wiederholt: Sämtliche Schüler versammeln sich auf dem überdachten Vorplatz des Schulgeländes, und nach dem gemeinsamen Gebet des „Vater unser“ und des „Ave Maria“ tragen die Schüler eines zuvor bestimmten Kurses der Oberstufe ein Lied oder ein Gedicht vor, gefolgt von der Nationalhymne und dem gleichzeitigen Hissen der bolivianischen Flagge. Nach der anschließenden Ansprache der Direktorin mit den wichtigsten Neuigkeiten werden die Schüler in die Unterrichtsräume entlassen. In Bolivien dauert die Schulbildung 12 Jahre und ist in eine achtjährige Elementarbildung und eine vierjährige Oberstufenbildung aufgeteilt. Montags bis Freitags werden vormittags 6 Unterrichtstunden a 45 Minuten von 7:30 bis 12:15 gegeben; Dienstag nachmittags haben die Siebt- und Achtklässler sowie die gesamte Oberstufe von 14:15 bis um 17:30 Unterricht, und Donnerstag nachmittags die Oberstufe von 13:45 bis um 18:00. Die Sekretärin ist für das Schellen der Schulglocke zuständig und legt damit Stundenbeginn und -schluss fest, wobei es sich dabei mehr um Annäherungszeiten handelt; das Schellen ist also allenfalls Signal für Schüler und Lehrer, sich mental darauf einzustellen, innerhalb der nächsten 10 Minuten im Klassenraum einzutrudeln; an dieses Pünktlichkeitsverständnis musste ich mich erst mal gewöhnen, da ich in den ersten Tagen beim pünktlichem Erscheinen nur selten mehr als die Hälfte der Schüler vorfand.
Seit sechs Jahren besteht eine Partnerschaft zwischen einem Gymnasium in Deutschland und dem „colegio Rosenhammer“, mit dem Ziel, den deutschen und bolivianischen Schülern die jeweils andere Kultur näher zu bringen und mit Arbeitskreisen und Aktionen das „colegio Rosenhammer“ sowohl moralisch als auch materiell zu unterstützen. Über diese Verbindung leisten seit einigen Jahren deutsche Abiturienten des Gymnasiums ihren Zivildienst in Bolivien ab. Seit Schulbeginn teile ich mir die Arbeit daher mit Frederik, der im letzten Jahr Abitur gemacht hat und nun seinen Ersatzdienst im „colegio Rosenhammer“ begonnen hat.
Ab Beginn der zweiten Woche erhielten wir unseren vorläufigen Stundenplan: Gemeinsam unterrichten wir zwei Wochenstunden „computación“ (Computerunterricht) in den acht Kursen der Oberstufe und den beiden achten Klassen; auf mich fiel außerdem noch jeweils eine Doppelstunde Musikunterricht in der ersten, zweiten und dritten Klasse und eine Doppelstunde „Lectoescritura“ (Lesen und Schreiben) in der ersten Klasse.
Gegenseitiger Informationsmangel zwischen Deutschland und Bolivien
Da zu Beginn nur zwei Computer einwandfrei funktionierten, blieb Fredi und mir nichts anderes übrig, als uns ein Alternativprogramm auszudenken: Die erste Doppelstunde reichte gerade dazu aus, um uns vorzustellen und ein wenig über Deutschland, unsere Erfahrungen in Bolivien, unsere Lieblingsmusik und Schnee zu reden; vor allem die unteren Kurse interessierten sich brennend für deutschen Fußball, die gezeigten Filme in Atlantikflügen und die leckersten deutschen Süßigkeiten, während die älteren Jahrgänge uns nach dem Verbleib von Adolf Hitler, dem Baumaterial der Berliner Mauer und den Durchschnittsgrößen deutscher Schüler fragten. Wir haben uns Mühe gegeben, die in den meisten Fällen durchaus ernstgemeinten Fragen aufrichtig zu beantworten und etwaiges belustigtes Schmunzeln zu vermeiden. Den Schülern gegenüber mussten wir zugeben, dass wir beide vor unserer Reise nach Bolivien eigentlich kaum über ihr Land, geschweige denn über die Chiquitania bescheid wussten; in beiden Ländern besteht also ein erheblicher Informationsmangel über das jeweils andere Land.
Hier gibt´s Näheres zu Freiwilligendiensten.