Handwerkliche Tätigkeiten im Kibbuz

Arbeit im Kibbuz

 

Kreatives Werkeln

Alle Kibuzzim wollten ihren Bewohnern zunächst eine befriedigende schöpferische Tätigkeit im handwerklichen oder landwirtschaftlichen Bereich ermöglichen. Die Sicherung des Lebensunterhalts war zwar das Hauptanliegen, aber die Pioniere der Kibbuzbewegung waren keineswegs alle gezwungen, ihr Brot etwa mit landwirtschaftlicher Arbeit zu verdienen. Die vielen Akademiker unter ihnen hätten leicht einer geistigen Tätigkeit nachgehen können. Sinn der Arbeit war aber gerade die handwerkliche Tätigkeit!

Erst im Laufe der letzten dreißig Jahre sind durch die beschleunigte technologische Entwicklung Arbeitsplätze entstanden, die diese Forderungen nicht oder nur unvollständig erfüllen. Das Kibbuz-Mitglied kann zu jeder Art von Arbeit herangezogen werden - von Computerprogrammierung über Pfirsichpflücken bis zum Aufwischen des Kantinenbodens. Sein Status ist nicht nur von der ausgeführten Art der Arbeit abhängig. Auch der Kibbuzsekretär sollte in regelmäßigem Turnus an den gemeinsamen Dienstpflichten teilnehmen. Allerdings - und das ist die erste Einschränkung - kann jemand, der sich für eine bestimmte Arbeit als besonders geeignet erweist, diese auf Dauer zugewiesen bekommen. Das ist je nach Situation ein Vorteil oder auch eine Last. Vor allem kann die Ausübung eines hochqualifizierten Berufes zu einer Einschränkung in der Rotation führen - ein Computerfachmann wird nicht am Obstpflücken beteiligt sein, wenn man ihn im Rechenzentrum braucht.

Dienstleistungen

Alle Dienstleistungen werden in der Regel im Rotationssystem vergeben, als vorübergehende Arbeit, zu der jeder, ungeachtet seiner Position, eingeteilt wird.
Personen, die in Berufen arbeiten wollen, für die es im Kibbuz keine Verwendung gibt (z.B. Lokführer oder Uni-Dozent), können manchmal mit Genehmigung des Kibbuzes als vollwertiges Mitglied auch außerhalb arbeiten, wenn sie ihr Einkommen an den Kibbuz weiterleiten.

Allerdings ist die Neuaufnahme von Akademikern und anderen Fachleuten, die als Chawerim auf ihrem Gebiet weiterarbeiten wollen, problematisch - zum einen durch die wachsende Zahl von Kibbuzniks, die dort geboren wurden und ihrerseits studieren und zum anderen, da ja auch Fachleute die Grundpflichten erfüllen müssen. Es kommt in manchen Fällen zu Kompromissen (sowohl Mitarbeit im Kibbuz als auch in einem Beruf außerhalb), die für Einzelne zu einer großen Belastung werden.

Ein weiterer umstrittener Punkt in der Entwicklung der Kibbuzbewegung (s. Geschichte) ist die Einstellung von, teilweise ausländischen, Lohnarbeitern, die nicht Kibbuzmitglieder sind. Dies deshalb, weil die Kibbuzim gerade aus dem Protest gegen die Lohnarbeit entstanden sind. Oft wird der Konflikt dadurch entschärft, dass ein Kibbuz eine Kooperative städtischer Arbeiter als Teilhaber einstellt.

Landwirtschaft und Industrie

Es gibt im Kibbuz - außer den Dienstleistungen - drei Haupterwerbsquellen: die Landwirtschaft, die sich seit Beginn der fünfziger Jahre schnell entwickelnde Industrie und Kleinmanufaktur und, seit jüngerer Zeit, den Tourismus. Die Landwirtschaft als traditionellstes Erwerbsfeld ist daher in älteren Kibbuzim hervorragend entwickelt.
Der Anteil der Kibbuzim an Israels landwirtschaftlicher Produktion liegt ca. bei 40 %, bei manchen für den Export bestimmten Obstsorten sogar weit darüber, wie z.B. bei Bananen, Avocados und Baumwolle. Die landwirtschaftliche Erzeugung wurde in den Kibbuzim, besonders in den neueren Gründungen, schon früh auf den Export ausgerichtet, denn bei ausreichender Bewässerung gedeiht in Israel fast jede Frucht - vor allem zu Zeiten, zu denen in Mitteleuropa tiefster Winter herrscht. Auch die industrielle Produktion liegt mit etwa 7 % der gesamten israelischen Produktion über dem Bevölkerungsanteil der Kibbuzim.

Der Fremdenverkehr ist spätestens seit den neunziger Jahren der am schnellsten wachsende Erwerbszweig der Kibbuzbewegung. Von den rund zweihundertsiebzig Kibbuzim haben inzwischen über hundertvierzig mehr oder weniger komfortable Gästehäuser eröffnet oder Campingplätze eingerichtet, jeweils abgestimmt auf die touristischen Sehenswürdigkeiten der Gegend. Das Angebot reicht von einfachen Bed & Breakfast-Unterkünften bis hin zu gehobenen Mittelklassehotels.

Neben den hiermit verbundenen Tätigkeiten existieren in jedem Kibbuz natürlich nach wie vor die »klassischen« und von manchen ungeliebten Dienstleistungen: Speisen auftragen, Reinigungsarbeiten, Geschirrspülen, Wäschewaschen, Hilfe bei der Essenszubereitung und anderes. Diese Arbeiten werden turnusmäßig vergeben, so dass fast jeder Volontär das Vergnügen haben wird.

Daneben übernehmen in den größeren Kibbuzim häufig Werkstätten die Wartung kibbuzeigener Geräte (Elektro / Autos / Maschinen) und Zimmererwerkstätten diverse Bauvorhaben und Reparaturen. Da die Kibbuzim sich von Anfang an der Pflege der Natur, der Bearbeitung des Bodens und der Anlage von Gärten widmeten, finden Volontäre gerade in diesen Bereichen immer eine Aufgabe.