Israelische Flora

Entdeckung eines Nationalparks

Paradies für Blumenliebhaber

Streifzüge durch die Flora Israels

Ich hatte Gadi erst spät über sein Verhältnis zu seinem Land befragt. Denn zuerst entdeckte ich, daß er ein profunder Kenner nicht nur der Erdgeschichte, sondern auch der Flora des Landes ist. Zufällig war ich an einem meiner freien Tage bei einer Wanderung auf ein großes Schild gestoßen: „Park Britanje / British Park" ist eine Gründung des Jüdischen Nationalfonds (KKL) - und ich verlor mich in Wäldern, endlosen Wiesen und wilden Blumenplätzen.
Zuerst hatte ich noch gedacht: „Ein Park? Ach, wie langweilig!" und ich erinnere mich voller Grausen an öde „Lehrpfade" und zurechtgestutzte Bäume, an Rentner, die schläfrig auf Parkbänken sitzen, an geisttötende Schulausflüge. - nun aber erlebte ich die Überraschung meines Lebens - ein Park, größer und weiter als menschlicher Vernunft erahnbar, Traumrevier aller ,Blumenverrückten", Tierbeobachter, Wanderer und Menschenfeinde - wer will, begegnet hier tagelang niemandem!

Gadi reagierte auf meinen aufgeregten Bericht gelassen. „Wenn du aufmerksam wanderst, kannst du jede Menge Orchideen finden. Es ist jetzt die Blütezeit." Ich suchte und staunte: hier gab es Wiesen voller rosiger Anacamptis pyramidalis (Pyramidenorchidee), mehrerer Arten der Gattung Ophrys (z. B. Ophrys lutea, Ophrys sphegodes, Ophrys bornmülleri, Ophrys fuciflora, Ophrys carmeli), die eine verblüffende Ähnlichkeit mit Bienen oder Hummeln aufweisen (Hummelragwurz), - und all das im Umkreis von nur wenigen Kilometern! Umgeben waren diese botanischen Wunder von rosigem Flachs, zarten Anemonen, brandrotem Hahnenfuß, Chrysanthemum coronarium und wildem Fenchel.

Der Fund „meiner" ersten Orchidee ist eine „Geschichte für sich" ... Ich hatte die Suche nach ihnen nach einer ersten stundenlangen Wanderung eigentlich schon aufgegeben - da sah ich etwas, das von weitem wie ein kleines braunes Käferchen aussah: es war Ophrys bornmülleri, eine nahe Verwandte der - auch bei uns vorkommenden - Hummel-Ragwurz (Ophrys fuciflora).
Die Blumen sind nicht besonders groß; die Schönheit der Blüten erschließt sich dem Fotografen am ehesten durch das Makro-Objektiv; von weitem übersieht man die unscheinbaren grünlichen Blütenkerzen nur allzu leicht. Und was von weitem wie eine dicke Hummel oder eine Biene aussieht, ist ein vollkommenes Beispiel von Mimikry: die Blumen ahmen die Gestalt dieser Tiere nach, um sie als Bestäuber anzulocken.

Es konnte nun öfters geschehen, daß mein erster Satz nach der Begrüßung, wenn mich Gadi morgens abholte, lautete: „Ich habe eine botanische Frage." Und ich beschrieb ihm den Fund einer Blume. Einmal fuhr er eigens mit mir los, um eine mir unbekannte Orchidee in Augenschein zu nehmen. „Du mußt ein Steinmännchen bauen, wo ein wichtiger Fund ist", sagte er, als ich mich blamierte und die Blume nicht sofort wiederfand. Ich erklärte ängstlich: „Dann findet auch jemand anders die Blume und pflückt sie oder gräbt sie aus!"
(der Horror der ausgegrabenen Frauenschuh-Orchideen in Deutschland: als ich, siebzehnjährig, dieses Wunder bestaunte, - um eine Stunde später nur noch eine Trümmerstätte vorzufinden: Fremde hatten alle Blumen ausgegraben und mitgenommen!).

„Bei uns gräbt niemand eine Blume aus oder pflückt sie!", erklärt Gadi, Jedes Kind im Land weiß, wo es Orchideen oder andere geschützte Blumen gibt."
Und auf meine konsternierte Erklärung, daß jemand einen Strauß Anemonen und ein Alpenveilchen gepflückt und dann fortgeworfen habe: „Das waren die russischen Einwanderer!" - Oder Gadi holte die Botaniklehrbücher herbei und wir besahen, überlegten, verglichen. Leider waren solche Momente immer kurz; Gadi erklärte: „Jetzt mußt du zu Schula (Gadis Frau) gehen, sie hat Arbeit für dich." Dann warteten die Bohnen im Garten darauf, gepflückt zu werden; Mangold mußte geschnitten und entlaust werden („Das sind auch Pflanzen", tröstete ich mich), es mußte Geschirr gespült, Fenster geputzt, Bibliotheken entstaubt, Wäsche aufgehängt, der Hof gefegt und Treppen gewischt werden. Akkordarbeit im Geschirrspülen warte an den Wochenenden auf mich, dann war das Restaurant offen (9 Tische für je vier bis sechs Personen).