Im Kibbuz sind alle gleich
Freunde aus aller Welt
Einfache Freuden
Der Kibbuz (zur Erinnerung: der erste Kibbuz, Deganya Alef, wurde 1909 gegründet) ursprünglich als gesellschaftliche Utopie gedacht: Unrecht zu beseitigen, jedem die gleiche Chance zu geben. Es ging um nichts Geringeres als die konkrete Umsetzung der zionistischen Version von kleinen, in sich geschlossenen landwirtschaftlichen Gemeinden, die auf jüdischer Handarbeit basierten (Deganya spielte - wie so viele andere auch - in den Jahren 1936-1939 eine bedeutende Rolle als vorgeschobener Verteidigungsposten gegen arabische Übergriffe; ähnlich während des Krieges von 1948, als der syrischen Armee vor den Toren des Kibbuz Einhalt geboten wurde).Und es war eine Chance für junge jüdische Siedler, das zu tun, was ihnen in Europa oft verboten wurde: Landwirtschaft zu lernen, als Bauer zu arbeiten.
Zudem lösten die Kibbuzim damals ein weiteres Problem: Palästina war (bis Ende der 50er Jahre) an vielen Stellen malariaverseucht, der Boden unfruchtbar, in den Bergen steinig, durch Erosion ausgewaschen. Die jungen Leute, die das Land bearbeiteten, waren wirklich Pioniere und leisteten Bahnbrechendes in Landwirtschaft, Verteidigung, Städtebau und bei der Verbesserung der Infrastruktur.
Dies und noch mehr erfahre ich von meiner neuen Freundin, einem Kibbuzmitglied aus Basel. Iris hatte im streng religiösen Kibbuz Lavi den Übertritt ins Judentum absolviert, hatte dann im Kibbuz Hulata in einer Orangenplantage gearbeitet („Orangen mag ich viel lieber; Apfelbäume sehen im Winter immer so tot aus!"), bis sie nach Ei-Rom kam und hier ihren späteren Partner David kennenlernte. Von Iris erfahre ich etliches über die Situation des Kibbuz und seine Probleme - und über seine Bewohner, was mir später in einer schwierigen Situation noch hilfreich sein wird.
Auch die insgesamt 12 Volontäre, die freiwilligen Helfer, stammen aus verschiedenen Ländern: ich bin die einzige Deutsche; andere Helfer kommen aus Südafrika (einer ist bereits seit 11 Monaten dabei), Holland, Argentinien, Chile und Brasilien.
Bald finde ich Freunde, die meine geheimen Passionen teilen: da ist Ingo aus Südafrika, dessen Ideal die Kommunen der 60er Jahre sind - und der eine Vorliebe für Äpfel hat, immer, wenn er das Pech hat, etwa zum Baumpflanzen oder Zäuneziehen eingeteilt zu werden. Während ich z. B. zum Einsammeln abgeschnittener Äste geschickt werde (alle Äste, so belehrt uns David, müssen sorgfältig entfernt werden: um schädlichen Insekten und giftigen Schlangen keinen Unterschlupf zu ermöglichen), sammele ich auch alle guten Äpfel ein, die man zuvor bei der Ernte vergessen hatte. Zusammen sitzen wir dann auf den Stufen der Volontärsunterkunft (fünf Personen in einem Zimmer!) und „sparen Geld", wie wir einander grinsend und kauend versichern: zwar werden wir für unsere Arbeit bezahlt - doch unsere Mahlzeiten müssen wir selbst einkaufen oder für ein Mittagessen im großen Eßraum bezahlen. Fast jeden Tag klopfe ich nun an die Tür von Ingos Zimmer und rufe: „Magst du einen Riesenapfel?" (die Äpfel des Kibbuz Ei-Rom übertreffen alle Größenrekorde!), und garantiert antwortet Ingo: „Klar", - für die anderen Quelle der Erheiterung.